Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Malchatun

Titel: Malchatun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
Vom Netzwerk:
und fügte noch einige besonders kränkende Wendungen aus ihrem neuerworbenen Sprachschatz hinzu.
    Aber die hätte sie sich sparen können. Ohnedem hatte Osman schon genug davon und hörte gar nicht mehr hin.
    Nun besaß er wohl seinen langen Leibrock, den kaiserlichen Ehrenkursk und die gute linnene Kopfbinde - aber diese ganze Pracht, mit der er in Jarhissar zu blenden gedachte, lag wohlverwahrt auf dem Rücken eines Packtieres, und als er jetzt aus dem Sattel sprang, stand er wie irgendein türkischer Hirte nur in Hose und Hemd da, auf dem Kopf die weiße Kappe und ein Messer im Gurt.
    »Das wirst du gleich sehen!« rief er und packte die Sache in der Weise an, daß er den Seitenpfosten des Tschardaks zu erklimmen begann.
    Ein wenig verging der Nilufer das Lachen nun doch! Immer höher kam dieser schreckliche Mensch. Schleunigst spähte sie nach brauchbaren Gegenständen, um sie ihm an den Kopf zu werfen. Und einiges fand sie auch: eine Bank und zwei vergessene Melkeimer, aber mit einem Butterfaß und dem dazugehörigen Klöppel war ihr Vorrat erschöpft. Ohne sichtbaren Erfolg! Osman hatte sich nur jeweils mit der Rechten festgeklammert und die Wurfgeschosse mit der Linken abgefangen, als seien sie ebenso viele Blumensträuße zum Willkomm.
    Das Heulen lag Nilufer näher als das Lachen. Was nun? Nur noch einen Knüppel hatte sie. Den hob sie sich auf. Und dann war es soweit.
    Schon griff Osman über das Geländer. Nilufer hob den Arm ... Aber dann zauderte sie, als sie in sein lachendes Gesicht sah . . . Gerade nur einen kleinen, winzigen Augenblick währte dieses Zögern, doch es genügte dem Gefühllosen vollkommen, sich in das obere Stockwerk zu schwingen.
    Was dann folgte, war das Aufplumpsen eines Knüppels auf die Bohlen und ein mädchenhafter Schrei. Denn dem Osman war die Beute trotz Melkeimer und Butterfaß keineswegs abstoßend erschienen, und er, der soeben noch gegen die Sipahis gewettert hatte, erwies sich nun erst recht als ein Unbedenklicher, der sich seines Kriegsrechts unverweilt bediente, nicht gerade ausschweifend, doch immerhin so weit, daß Nilufer unter einem wilden Geschrei von »Nein, nein!« und »Ich will nicht!« mit den Fäusten an seine Brust und in sein Gesicht trommelte. Nur einige kurze Augenblicke gelang ihr das, gerade so lange, bis er den vorlauten Mund mit seinen Lippen verschloß. Und das sei die einzig richtige Art eines Mannes, ein Mädchen zum Schweigen zu bringen, dachte er - sofern er überhaupt etwas dachte.
    Mit den Fäusten war für Nilufer nun nicht mehr viel zu wollen. Eine Weile freilich setzte sie den Nahkampf noch mit Füßen und Knien fort, und es wäre schwer zu sagen gewesen, wie weit Osman vielleicht noch in seinem Rechte des Eroberers gegangen wäre, wenn nicht plötzlich jeder Widerstand aufgehört hätte. Schlaff und mit herabhängenden Armen schien sie sich zu ergeben, und wenn sich der Mann anfangs auch noch der Gelegenheit bediente, so wurde ihm allmählich beim Anblick des versteinerten Gesichtes doch unheimlich zumute.
    Leise weinend sank sie dann auch zu Boden, kaum daß er den Griff etwas lockerte.
    Immer war sich Malchatun dessen bewußt gewesen, daß ihr Osman ein Mann wie andere Männer sei. Wie recht sie damit hatte, erwies sich gerade jetzt. Er konnte vieles, aber eine Frau weinen sehen konnte er nicht. Und so machten denn die Tränen der kleinen Durchtriebenen einen weit tieferen Eindruck auf ihn als alle Melkkübel der Welt.
    »Nun, nun . . .«, murmelte er, »nur nicht gleich weinen . . .«
    Damit war gewiß nicht viel gesagt; aber Nilufer genügte es vollauf, an ihren Schultern Schwingen wachsen zu fühlen.
    »Komm mir nur nicht zu nahe!« verbot sie, was noch gar nicht geschehen war.
    »Ich tue dir ja nichts«, verteidigte er sich.
    »Nichts? Das nennst du nichts? Du solltest dich schämen!« belehrte sie ihn. »Arme Leute wie wir sollten Zusammenhalten. Ich bin eine Leibeigene des Kir David, und wem du auch gehören magst - irgendeinem Herrn gehörst du!«
    »Hoho!« widersprach er voll Eifer. »Ich bin ein Türke, und wir Türken sind frei, und unsere Frauen sind freie Frauen -das heißt . . .«, unterbrach er sich, denn so ganz wollte er die Schlacht noch nicht verloren geben, »Mädchen wie du, gefangene Mädchen, weißt du . . .«
    Recht bedrohlich sagte er das. Nilufer aber wußte genau, warum sie sich als Leibeigene ausgab. Wenn man etwa erfahre, daß sie das Herrenkind sei, werde man ihrem Vater eine schöne Rechnung aufmachen,

Weitere Kostenlose Bücher