Malchatun
und wegen des fürstlichen Ansehens erst recht nicht verkleinern.
Unter diesen Umständen war gute trapezuntische Leinwand etwas, dem auf Karadschahissar mit Achtung begegnet wurde. Der Bedarf war groß, und selbst für den Bey wäre es nicht in Frage gekommen, etwa ein schadhaftes Hemd fortzuwerfen -es wurde geflickt. Die Nähstunden bei Malchatun, die der Ausbesserung und Anfertigung der Wäsche dienten, waren daher sehr wichtige Veranstaltungen im Schloß. Die Männer freilich beteiligten sich mehr am Verschleiß der Erzeugnisse, und da von einem Eunuchendienst keine Rede sein konnte, fehlten auch die Halbmänner. An diesem Tage war das einzige männliche Wesen ein Knabe, Malchatuns zehnjähriger Sohn Alaeddin, so genannt nach Kaiser Alaeddin II., dem Großherrn in Ikonium. Der Junge saß zu Füßen der Mutter, in der Linken, hohl eingehalten, ein Papier - in der Rechten den abgeschrägten Holzstift, den er von Zeit zu Zeit in eine Tintenflasche tunkte. Alaeddin schrieb.
Im Gegensatz zu dem dreizehnjährigen Orkhan neigte der feingliederige Knabe überhaupt mehr zur Schrift und zur Literatur als zu den Waffen. Schwarzhaarig wie sein Vater, doch von blasser Gesichtsfarbe, hatte sich die derbe Hakennase seines väterlichen Geschlechtes bei ihm stark gemildert und in zartere Züge gefügt, die mehr an die seiner Mutter und seines Großvaters Edebali erinnerten. Gerade beugte sich Malchatun, um das Geschriebene entgegenzunehmen, über ihn, als der Eintritt ihres ältesten Sohnes die Frauen und Mädchen aufblicken ließ.
Weit mehr als Alaeddin erinnerte Orkhan an den Vater -mit dem mütterlichen Erbe seiner rötlichblonden Haare, den gewölbten Brauen und hellblauen Augen war er eine Verwandlung Kara Osmans ins Lichte. Gleichen starkknochigen Körperbaus wie sein Vater, hatte sich freilich bei ihm dessen dunkle Haut nicht wiederholt. Gut durchblutet spielte vielmehr das volle Gesicht des Jünglings von dem schneeigen Weiß der Rothaarigen in die Farbe der Rosen hinüber, so daß gefällige Dichter das dunkle Muttermal unterhalb des rechten Ohrläppchens schon als Schönheitsinsel in einem Meer von Milch gepriesen hatten.
Mit gekreuzten Armen verneigte sich Orkhan vor seiner Mutter. Ein Bote sei gekommen, meldete er, und bitte um die Gnade, von der Fürstin empfangen zu werden.
Das war genug, um die ewig wache Neugier der Haremsmädchen zu reizen, und zu wenig, sie zu befriedigen. Aber Malchatun machte dem Gewisper und dem Austausch der Blicke ein Ende. Schon neigte der Tag sich der Stunde des Gebetes, und so entließ sie das aufgeregte Weibervolk mit einem Wink ihrer Rechten.
»Meine Söhne bleiben«, sagte sie und war nun mit Orkhan und Alaeddin allein. »Wer ist es?«
»Chalil Tschendereli.«
»Er kommt von Jarhissar?« beunruhigte sie sich.
»Dem Vater ist nichts geschehen«, beruhigte sie Orkhan. »Chalil bringt nur eine Botschaft.«
»Ich will ihn hören«, entschied sie, um sich dann, nachdem ihr Ältester gegangen war, wieder an Alaeddin zu wenden, als seien sie überhaupt nicht unterbrochen worden. »Laß sehen«, sagte sie und erfreute sich dann der klaren Schrift ihres Sohnes, um hier und da Bemerkungen einzuflechten, die mehr auf weitere Möglichkeiten der Schreibart und des Ausdrucks hindeuteten, als daß sie Verbesserungen von Fehlem gewesen wären.
In dieser Beschäftigung wurde sie erst durch die Einführung des Tschendereli unterbrochen.
Ehrerbietig küßte Chalil den Saum von Malchatuns Kaftan. Sie selbst saß in einem byzantinischen Sessel mit Rücken- und Armlehnen - ihre Söhne standen zur Linken und Rechten neben ihr. Und dann brachte Chalil seine Botschaft vor.
Der Kopf des Joannes Mazaris müsse, erklärte er als Osmans Gebot, noch vor Mitternacht auf das Blutleder rollen.
Gesenkten Blickes verharrte Malchatun eine lange Zeit des Schweigens. Keiner der drei Knaben wagte sich zu rühren. Schließlich hob sie den Kopf und wandte sich an Chalil.
»Erfreue Aischa mit deinem Kommen«, schien ihre ganze Antwort zu sein, und schon verneigte sich Chalil zum Zeichen seines Gehorsams, als sie fortfuhr: »Vergiß deine Botschaft, Chalil, vergiß sie so sehr, daß auch Aischa nichts von ihr erfährt, zumal deine Frau nicht!«
»Hören ist Gehorchen«, erwiderte der Jüngling und überlegte bereits, wie er seine junge Gattin von überflüssigen Fragen abhalten wolle! Als er gegangen war, erscholl die Stimme des Muezzins zum Preise Allahs vom Minarett der Moschee. Es war die Stunde des Gebetes.
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