Malchatun
solche seien, die sich hosenlos unkeusch vor aller Welt tummeln möchten.
Nur Malchatun lächelte.
Mit irgendeinem Einbruch des Westens hatte sie gerechnet und darum ihrer Pflegeschwester zu Ehren lieber selbst sich byzantinisch gekleidet, zwar nicht in prunkenden Brokat, aber in eine lichte, weich fließende und hinten nachschleppende Seide. Darunter trug sie die hauchzarten und engen Byssusbeinkleider byzantinischer Damen, so daß auch ihre Körperformen nicht gänzlich einer ungefügen Pluderhose derberen Stoffes zum Opfer fielen. So völlig aller Mittel entblößt war man in Karadschahissar nicht. Zwar ging es nun schon in das siebente Jahr, daß Osman keine Streifzüge mehr unternommen hatte. Vordem war es anders gewesen, und vorzüglich von der Streife an die Sakaria war manches hängengeblieben, was nun im Licht der Lampen sich zeigte.
Osman bemerkte es, und der Anblick seiner Frau richtete ihn auf. Ein wenig verlor sich die Angst vor den Verwicklungen, die ihm Nilufer sicher noch bereiten werde, und dafür erfüllte ihn ein zunehmender Stolz auf die beiden herrlichsten Frauen, die ihm seines Vermeinens gehörten: die reif Erblühte und die sich öffnende.
Malchatun machte sich weniger Gedanken über ihren Osman als er sich über sie. Ihr waren die brennenden Augen, mit denen Orkhan Nilufer anstarrte, viel wichtiger. Mit der leichten Wehmut einer Frau, die ihre Jugend dahinfließen sieht, dachte sie daran, daß die Kinderjahre ihres Ältesten, dessen Geschlecht sich so sichtlich zu regen beginne, nun auch schon vorüber seien.
Daß Nilufer aber Orkhans Blicke übersehen hätte, wäre zuviel von ihr verlangt gewesen. Mit der ganzen Erbarmungslosigkeit ihrer Jugend bemächtigte sie sich vielmehr des Jungen, der zwar weniger ihrer Eitelkeit als ihrer Neugier zu dienen vermochte.
»Geht alle hinaus, die ihr da seid!«
Mit diesen Worten betrat Nilufer ihr Zimmer, das sie mit Kirina Ana teilte. Natürlich schliefen mit den jungen Herrinnen noch mindestens ein halbes Dutzend Dienerinnen im gleichen Raum. Das betrachteten die Damen als eine ihrem Range gebührende Selbstverständlichkeit. Keineswegs bedeutete das jedoch, daß Nilufer nun auch bereit sei, ihre Geheimnisse dem Gesinde auszuliefern. Und wenn es zwischen ihren lieben Eltern auch immer noch eine Streitfrage war, ob sie bereits der Rute entwachsen sei oder nicht, so wußte sie jetzt doch ihre Wünsche so deutlich kundzutun, daß sie in bemerkenswert kurzer Zeit mit ihrer Freundin allein war.
»Er lebt!« rief sie jetzt. »O Ana, Anizza, Liebste, er lebt!«
Mit keinem anderen Wunsche hatte Ana auf dem Lager gelegen, als daß der Tod sie mit Joannes Mazaris, dem Enthaupteten, vereinigen möge. Jetzt fuhr sie schlohbleich aus ihren Kissen und umklammerte Nilufer.
»Sag es nicht!« rief sie. »Bitte, sag es nicht, wenn du es nicht ganz genau weißt!«
»Laß mich los, du! Du tust mir ja weh!« wehrte sich Nilufer. »Hältst du mich für solch eine Gans, dir das zu sagen, wenn ich dessen nicht sicher wäre?!«
»O nein! Ganz gewiß nicht«, beteuerte Ana. »Sag schnell, von wem du es weißt. Von Osman?«
»Keine Spur! Überhaupt Osman - mit dem werd’ ich noch viel Arbeit haben. Das sehe ich schon. Weißt du, was er ist?«
»Ein Held, nicht wahr?« fragte Ana, weil sie sich nie ganz klar darüber war, welche Antwort Nilufer im Augenblick gerade erwarte.
»Selbstverständlich ein Held!« bestätigte die andere auf eine Weise, die eine Verwahrung gegen jeden Zweifel einschloß. »Ein Bahadur, wie die Türken das nennen, ist mein Osman! Aber weißt du, was er sonst noch ist?«
Ana wußte es nicht.
»Schüchtern !« sagte Nilufer. »Schüchtern ist mein Bahadur!«
»O Nilufer . . .«, wollte Ana auf ihren Joannes zurückkommen.
Aber Nilufer konnte sich ebensowenig von ihrem Osman losreißen. »Du meinst natürlich«, lehnte sie sich gegen eine Meinung auf, die gar nicht geäußert worden war, »ich müsse mit niedergeschlagenen Augen dasitzen und warten, was er tun werde? Da könnte ich lange warten!«
»Du wolltest mir doch sagen«, bettelte Ana, »woher du es weißt . . .«
»Aber das sagte ich dir doch schon! Joannes lebt, und so wird er auch weiterleben. Osman muß die Nachricht ziemlich ruhig hingenommen haben, sonst würde man ihm etwas anmerken. Gesagt aber hat es mir Orkhan.«
»Der Junge . . .?« Ana war enttäuscht. Orkhan schien ihr keine sichere Quelle zu sein.
Doch Nilufer beruhigte sie auf ihre Weise.
»Natürlich ist Orkhan
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