Malchatun
fanden das - Moslemin oder nicht - einfach lächerlich, jedenfalls ihre Weiber waren dieser Meinung. Und so hatten sich denn viele ansehnliche Männer mit ihren Gattinnen aufgemacht, Apollonia zu begrüßen.
Ganz abgesehen vom Reichtum stand eben die Macht der Asanes der des Beys so wenig nach, daß man Kira Apollonia als der ersten Dame des Hauses willig den gleichen Rang mit der Fürstin zugestand. Von Joannes Mazaris sprach dagegen kein Mensch. Doch wie ein Gespenst ging er mit der Nachricht von seiner Hinrichtung um, die der Herrin von Jarhissar freilich nichts Neues bedeuten konnte. Diesem Gerücht gegenüber fiel das Fernbleiben Kirina Anas von der Abendunterhaltung kaum ins Gewicht. War doch in Nilufer ein Mittelpunkt vorhanden, der aller Augen auf sich lenkte.
Ihren eigenen Wünschen und Absichten half es dabei sehr, daß niemand an ihrer künftigen Heirat mit Kir Salmenikos zweifelte. Die Braut des Herrn von Biledschik galt allen als zu unantastbar, um sie und Osman zu beargwöhnen. Während des ganzen Herritts hatte Nilufer denn auch nicht ein einziges Mal so unbefangen und selbstverständlich mit ihrem Freund sprechen können, wie sie es hier unter den Augen von Kira Apollonia und Malchatun durfte - wenn auch nicht gerade in der Art wie auf dem Tschardak. Ein paar Worte - ganz nebenbei geflüstert - mußten genügen, ihm ihr Verlangen nach einer geheimen Zusammenkunft zu vermitteln.
Erst dadurch begann Osman allmählich den ganzen Umfang der Unsicherheit zu erkennen, die Nilufer in sein Leben gebracht hatte. Mochte er sich auch noch so einfach inmitten seiner Leute und der Bevölkerung von Karadschahissar bewegen - er war der Bey, und keiner seiner Schritte konnte unbemerkt bleiben. Die mehr knabenhaften Liebesabenteuer seiner ersten Jugend spielten sich zwischen den Herden und auf den Triften ab; jetzt aber stellte die junge Dame Nilufer, so kindlich sie noch sein mochte, ihn vor die Geheimnisse der Gynaeceen, der griechischen Frauengemächer, und der Harems. Er war ihnen so gar nicht gewachsen und erst recht nicht denen eines wirklichen byzantinischen Gynaeceums, wie es in Jarhissar bestand.
Zwar hatte Salmenikos seinen Vetter David mit Jarhissar als Afterlehen abgefunden, und wenn er eigene Kinder gehabt hätte, wäre es dabei verblieben. Aber er war immer noch Junggeselle. Und so war Nilufer von Geburt an die Erbin und jetzt die künftige Frau des Familienoberhauptes. Ein Strom schön geprägter byzantinischer Goldstücke und weniger schöner, doch ebenfalls goldener Persermünzen waren daher ständig von Biledschik nach Jarhissar geflossen, um die Hoffnung des Hauses mit allem zu versehen, was aus ihr einmal eine große Despoina machen sollte.
Seit ihrem sechsten Lebensjahr hatte sie einen richtigen Grammatikos, einen echten Eunuchen aus Byzanz, zum Hofmeister gehabt, und die mütterliche Zofe, der Chalil so vielerlei verdankte, war auch nicht in Bithynien geboren. Viele und vielerlei hatten sich vereinigt, um aus Nilufer eines jener kostbaren Wesen zu machen, die immer noch zu den begehrten Schätzen des einst weltbeherrschenden Byzanz gehörten. Täglicher Sport, Bäder, Massagen und sogar ein ebenfalls aus Konstantinopel verschriebener Schminkkünstler hatten dafür gesorgt, daß sie in ihrer weit weniger kultivierten Umgebung wie eine Gestalt aus höheren Welten erschien.
An ihren rosig gefärbten Füßen mit den gelackten Nägeln glänzten weißlederne Sandalen. Auf sie fielen aus einem brokatenen Silberkasak schmiegsame Schleier, die Beine umschäumend, hernieder. Eine niedrige juwelengeschmückte Mitra krönte das blonde Haar.
Selbst Kira Apollonia war überrascht. Bis jetzt hatte sie ihrer Tochter nur den einem Edelkinde geziemenden Aufwand gestattet. Aber was half schon Gestatten und Verbieten, wenn Nilufer sich etwas in den Kopf gesetzt hatte! Alle ihre Vorbereitungen waren heimlich getroffen worden, und so erschien sie, sehr gegen den Willen ihrer Mutter, heute zum erstenmal in byzantinischer Hoftracht.
Niemals hätte Osman es gewagt, im Tschardak mit ihr so zu verfahren, wie es geschehen war, wenn sie ihm entgegengetreten wäre wie in diesem Augenblick, mit einem Gesicht nämlich, dem höchste Kunst mit allen Kräften der Anziehung zugleich die Unnahbarkeit verliehen hatte. Sämtliche Männer empfanden sie wie er, als einen Hauch aus dem Märchen, aus jener unerreichbaren großen Welt jenseits des Bosporus. Und alle Frauen flüsterten sich fast berstend vor Neid zu, daß sie nicht
Weitere Kostenlose Bücher