Malchatun
ein dummer Bengel. Doch ob du mir es nun glaubst oder nicht - ganz kranke Augen machte er mir. Und er ist nun mal Osmans Ältester. Ganz wunderlich ist es, zu denken, daß Osman schon einen so großen Jungen hat. Doch wie auf seine künftige Stiefmutter blickte Orkhan durchaus nicht auf mich«, kicherte sie, »und als sieda so einen Hirtenreigen tanzten, nahm ich ihn mir . . .«
»Aber du kannst doch gar nicht . . .!«
»Orkhan war anderer Meinung«, lachte Nilufer. »Jedenfalls hab’ ich mit ihm diesen albernen Reigen getanzt, hab’ ihn meinen lieben Vetter genannt, da doch unsere Mütter Schwestern seien - wie Honig war ihm das. Und dabei hab’ ich dann erfahren, was ich wissen wollte.«
»So geradezu . . . ?«
»Selbstverständlich nicht >geradezu ich habe ihn >Mann< genannt«, unterbrach sie sich, »du hättest sehen sollen, wie das zog! -, denn wenn ein Mann«, wiederholte sie, »einer Frau nicht vertraue, dann zeige er ihr, daß er sie nicht so achte, wie eine Dame geachtet werden müsse!«
»Und das glaubte er dir?«
»Du ahnst nicht«, prahlte Nilufer, »was die Männer einem alles glauben, wenn man es darauf anlegt. Und nun so ein Junge! - Die Begum hat nicht zugegeben, daß man deinen Joannes köpfte. Was Osman wollte, weiß ich freilich nicht. Das war aus dem Jungen nicht herauszukriegen. In dieser Hinsicht war er störrisch wie ein Maulesel, sosehr ich ihn auch bedrängte. Hauptsache aber ist, daß Joannes lebt.«
»Und nun wirst du Osman bitten, ihn am Leben zu lassen, nicht wahr, Nilufer, versprich mir, daß du es tun wirst!«
Nilufer erhob sich, und über Ana kam eine grenzenlose Enttäuschung.
»Ich dachte . . .«, flüsterte sie mehr für sich, »du würdest ohnehin mit ihm reden . . . mit Osman, meine ich . . .«
»Gewiß möchte ich«, gab Nilufer zu, »aber hier ist es unmöglich. Sieh mal, Ana, im Tschardak war es so einfach. Er hat mich geküßt, sag’ ich dir, und wenn ein Mann ein Mädchen küßt, dann muß er es auch heiraten. Da kannst du alle fragen! Aber in Jarhissar fing der Jammer an, und hier erst. . . er hat einfach Angst vor mir, Ana.«
»Ja dann . . .«
»Gar nicht: >ja dann »Du kannst doch nicht erwarten, daß sie ja sagt!« entsetzte sich Ana.
»Warum nicht . . .?«
»Ich hätte Angst«, war alles, was Ana noch herausbringen konnte.
»Hab’ ich ebenfalls«, versicherte Nilufer, »schreckliche Angst. Aber was getan werden muß - das muß ich selbst tun. Osman würde nie damit fertig werden.«
32
»Du begehrst ein Fetwa von mir?« fragte Edebali seinen Schwiegersohn.
»Nein, mein Lehrer, unser Vater.«
Osman begehrte kein Fetwa gegen Malchatun. Zu seinem eigenen Erstaunen hatte ihn die Mißachtung seines Todesbefehls gegen Joannes Mazaris ziemlich kaltgelassen. Nach seiner Rückkehr wieder Auge in Auge mit seiner Frau, war er ihr eher mehr verfallen gewesen als zuvor. Ihm in den Arm zu fallen, war sonst keineswegs Malchatuns Gewohnheit, und ihn gar mit Tadel und Warnungen zu belästigen, lag ihr völlig fern. Um so wirksamer war die sanfte Sicherheit gewesen, mit der sie ihm ihre Entscheidung in der Angelegenheit des Kir Joannes mitgeteilt hatte.
Es war während des Aufsuchens ihres gemeinsamen Lagers gewesen, und das Herabgleiten von Malchatuns Gewändern hatte ihn nicht weniger besiegt als ihre Gründe. Niemals war er so davon durchdrungen gewesen, daß er bei ihr zu Hause, daß ihr mütterlicher Schoß seine Heimat sei und daß nichts
Feindseliges an ihn könne, solange er sich ihren ihm so vertrauten Gliedern hingebe.
Aber er hatte es doch sich schuldig zu sein geglaubt, die ganze Angelegenheit noch einmal ohne Malchatun zu durchdenken, und zu diesem Zweck war er bei Edebali erschienen. Nach seiner Gewohnheit saß er zu Füßen des Meisters, und da es ein kühler Tag war, stand ein eiserner Korb mit glühenden Kohlen zwischen ihnen.
Unter Perids Aufsicht war er von den Mägden gebracht worden. Denn den hohen Gast zu begrüßen, hatte die kleine Frau sich nicht entgehen lassen. War es doch ihr ganzer Stolz, sich als die Gebieterin zu zeigen,
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