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Malchatun

Titel: Malchatun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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recht gefährlichen Feind. Er ist geschäftig, vergiß das nicht, und was bisher nicht gelang, vielleicht gelänge es ihm: der Bund aller christlichen Herren gegen dich. Bleibt er dagegen dein Freund, so hättest du an ihm einen Fürsprecher oder auch einen Kundschafter im anderen Lager.«
    »Bleibt er mein Freund, werden seine Glaubensgenossen ihm nicht trauen.«
    »Warum sagte ich dir, mein Osman, du mögest Kir Joannes nicht freilassen? Weil das ein Beweis einer unerschütterten
    Freundschaft zwischen dir und Kir Michael wäre. Geschähe aber dem Archonten nicht der gleiche Dienst, wenn du dessen Gast entfliehen ließest?«
    Osman war immer noch so jung, daß er beinahe aufgesprungen wäre. Zur rechten Zeit entsann er sich noch eines schicklicheren Benehmens.
    Edebali schmunzelte.
    »Du verdankst diesen Rat nicht mir«, sagte er mit jener heiteren Befriedigung, die er jederzeit für das Tun seiner Gattin hatte, »sondern deiner Schwiegermutter Perid.« Hierbei vertiefte sein Lächeln sich. »Sie berichtete mir«, fuhr er fort, »daß Kir Michaels Tochter erkrankt sei, als sie die Kunde von einer Hinrichtung des Joannes vernommen habe. Oder glaubst du etwa, ich will dir raten, auf den Eid eines Mazaris - auf einen dir geschworenen Eid! - dich zu verlassen?«
    »Er würde vermutlich Kir Michael ein Märchen von Grausamkeit und Tücke auftischen, nur nicht die Wahrheit . . . dagegen Kirina Ana ... so meinst du doch?«
    »Kennst du sie?«
    »Nicht eben sehr . . .«, zögerte Osman.
    »Dann sprich mit Nilufer.?<
    Mit einem Ruck hob Osman den Kopf und begegnete Edebalis Blick. Aber nichts stand in dessen Augen. Wie eine Wand waren die Augen, und nichts war von dem zu sehen, was hinter ihr sein mochte.
    Was Edebali über ihn und Nilufer wohl wissen könne, fragte sich Osman, und falls der Scheich nichts wisse, müsse ausgerechnet Malchatuns Vater ihn zu Nilufer schicken? »Warum zu ihr?« sagte er.
    »Weil sie die Freundin von Kir Michaels Tochter ist. Und Mädchen in diesem Alter erzählen sich ihre Liebesgeschichten.«
    »Einander wohl, aber darum doch nicht mir«, verwahrte sich Osman.
    »Dir wird sie es sagen, ob du es mit Kirina Ana wagen kannst«, lächelte Edebali. »Ich sah Nilufer, und ich sah dich mit ihr.«
    Osman begriff nicht, daß der alte Mann so mit ihm reden könne. Ob er der eigenen Tochter Besonderheit weniger erkenne als er, Osman, deren Mann? Ein heißes Mitgefühl quoll urhaft in ihm für die so Verkannte empor, und er fühlte sich plötzlich gerührt als deren einziger verläßlicher Liebender und Freund. - Aber vielleicht halte Edebali den Anlaß für so wichtig, um über Malchatuns Empfindungen hinwegzugehen?
    »Ich müßte Nilufer allein sprechen«, hörte er sich sagen.
    »Mein Haus steht dir offen«, erwiderte Edebali, »dir und ihr.«
    Mit einer ehrerbietigen Verneigung schob Osman alle Verantwortlichkeit dem Schwiegervater zu.
    »Ich gehorche dem Lehrer des Islams, meinem hochwürdigen Vater.«
    »Allah gebe dir Kraft und Verstand, Osman Ertoghruloghlu.«
    »Allah gebe dir Kraft und Verstand.«
    An diese Worte seines Schwiegervaters mußte Osman noch oft denken - und Grübeln war doch eigentlich seine Sache so gar nicht! Aber gerade zu einer Zeit, da alle Verhältnisse einer entscheidenden Wendung zudrängten, hatte auch sein eigenes Leben einen Stoß bekommen.
    Nicht sogleich wurde er dessen gewahr. Selbst wenn ein Verlangen nach Nilufer ihn ebenso unvermutet wie unwiderstehlich überfiel, hoffte er immer noch, seiner Herr werden zu können, und vielleicht wäre es ihm auch gelungen, wenn ihn Edebali nicht genötigt hätte, sie wiederzusehen.
    Aus eigener Autorität war der Scheich das Haupt des Islams in Bithynien geworden. Osman aber war Edebalis weltlicher Arm. Für die Stämme und seine Besitzungen hatte er als Fürst die Verantwortung, und soweit war Edebalis Beweggrund auch sein eigener. Aber dieser eine schloß leider den anderen nicht aus, der ihn mit Gefühlen von Schuld und Unsicherheit erfüllte. Er mußte sich eingestehen, daß er sich auf die Zusammenkunft, auf möglichst viele und häufige Zusammenkünfte mit Nilufer freue. Kraft und Verstand, hatte Edebali gesagt.
    An jene Nacht mußte Osman denken, die auf den Tag der Übergabe des Tughs und der Pauken gefolgt war. Damals hatte Malchatun begehrt, immerdar seine einzige zu sein. Und sie war seine einzige. Ganz unmöglich schien es ihm, sie je zu verlieren. Er war fest entschlossen, daß dieser Tag nie erscheinen solle . . .

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