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Malchatun

Titel: Malchatun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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aber er hatte Verstand genug, sich vor Nilufer zu furchten.
    Nicht einmal das fast unfehlbare Mittel, einer allzu großen Verliebtheit Herr zu werden, half ihm, nämlich genau hinzusehen und dem Ziel all seines Begehrens ganz nahe zu sein. Denn obwohl sich alles sehr sittsam und ehrenhaft begeben hatte, war er ihr nahe genug.
    Selbst nach der strengsten Regel des Korans konnte er bei seiner Schwiegermutter Perid zu jeder Stunde des Tages erscheinen, und für das Mädchen Nilufer bestanden ohnehin keine Hindernisse, dagegen sehr viel Grund, die Stiefmutter ihrer Tante Malchatun zu besuchen. Um alte Freundschaft zu festigen und neue zu schließen, hatten ja die Damen von Jarhissar die Reise unternommen.
    Wenn nun also Osman als Sohn des Hauses Edebali dem Klang eines Gelächters gefolgt war und den Vorhang des türlosen Gemaches gehoben hatte, war es nicht überraschend gewesen, bei Perid die Dame Nilufer zu treffen.
    Das war weit entfernt von dem liederlichen Gebaren so mancher Christen und Christinnen, die in Unkenntnis dessen, daß Allah siesehe, Hurerei an verborgenen Orten trieben. Schande über sic!
    Dieses hier war geziemend. Sogar das Ende ihres Schleiers, der ihr wie eine mittägliche Märzwolke vom Scheitel herabhing, warf sich Nilufer mit einem Girren über die rechte Schulter, daß er die Nacktheit ihres Kinnes und ihres Mundes bedecke. Auch war sie keineswegs hosenlos, sondern im züchtigen Gewand einer Moslim erschienen und konnte daher, ohne bei der Mutter der Gläubigen Anstoß zu erregen, mit gekreuzten Beinen auf den Polstern verharren. Was hätte bei so viel Anstand Perid demnach hindern sollen, das Paar für eine Weile allein zu lassen, um Gebäck und einen Sorbet zu holen, in dessen Zubereitung sie als Meisterin galt?
    Immerhin bediente sich Osman nicht der gleichen Polster wie Nilufer. Zu Füßen des Mädchens hatte er sich niedergelassen, freilich mit gesenktem Antlitz. Denn wahrlich, eine unlösbare Aufgabe war ihm überkommen: Die Zuneigung Nilufers, der Erbin der Asanes, deren Macht der seinen nicht nachstand, sollte er nicht verlieren, und Malchatuns wegen durfte er sie, die er begehrte, auch nicht gewinnen. Was konnte er tun? Lügen? Nicht einmal die Lüge bot ihm eine Zuflucht. Denn wenn er Nilufer sagte, was sie zu hören begierig war, würde er mitnichten gelogen haben.
    Ein wenig zuviel war das für Osmans gerades Gemüt.
    Nilufer dagegen schien die Lage als nicht reizlos zu empfinden. Was begehrte sie? Lieber wollte sie die zweite Frau Osmans als die einzige ihres Onkels Salmenikos sein. Sie begehrte Osman, durchaus nur ihn. Kämpfe machten ihr nichts aus. Selten hatte sie ihren Willen durchgesetzt, ohne erst einmal auf Widerstand zu stoßen. Für den Widerstand hatte Kira Apollonia schon gesorgt. Und darüber war Nilufer sich völlig klar, daß sie sich auch jetzt wieder in einem der gefährlichen Durcheinander von Erwachsenen befinde. Aber ebenso gewiß fühlte sie sich wie stets ihres Sieges.
    »Gelangweilt, mein Bey?« spöttelte sie, wobei sie, ungesehen von ihm, ihre Schuhe abstreifte. »Begegnet man so einer Dame? Den Kopf nach unten und stumm wie ein totes Huhn? Ihre Berechnungen über die Ornamente des Teppichs können Sie ein andermal anstellen. Ich hatte gedacht, Sie seien ein Tschelebi, ein Kavalier?«
    »Behandelt haben Sie mich wie einen Landstörzer und Straßenräuber«, gab er nicht uneben zurück.
    »Das auch«, nickte sic. »Und wenn man mich nicht belogen hat, waren Sie es. Männer haben sich immer so, wenn man sieals das behandelt, was sie sind.«
    Einen Melkschemel an den Kopf zu kriegen, hätte er diesem Gespöttel bei weitem vorgezogen. Ein Melkschemel war ein Melkschemel — da wußte man, woran man war.
    »Mir ist es gleich, wie Sie mich nennen«, brummelte er und wollte ihr seine Gelassenheit durch einen hochmütigen Blick beweisen.
    Aber wie er den Kopf hob, sah er einen mageren, schmalen Fuß mit rot gefärbten Nägeln an den langen, aufwärts gebogenen Zehen. Es war der Fuß eines gebadeten Mädchens, und Osman fand nichts Unnatürliches an dem Geruch von Moschus und Ambra, der auf ihn eindrang. Unmöglich war es, sich diesen Feenfuß unter dem Euter einer Kuh oder im Stallmist zu denken. Doch wenn Osman auch keine eigentlichen Erfahrungen mit Feen besaß, so wirkte in seinem Blut doch das mongolische Gefühl für den Frauenfuß als einem Reiz des Geschlechtes.
    Es war daher recht gewagt, daß Nilufer mit der großen Zehe auf seine Nase tupfte. Denn nun

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