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Malchatun

Titel: Malchatun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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ergriff er ihren Fuß und bedeckte Zehen, Sohle und Spann mit Küssen. Ganz weltmännisch dünkte er sich, bis Nilufer ihn mit einem plötzlichen Stoß mitten in sein Gesicht überfiel, ihren Fuß wieder unterschlug und damit verbarg.
    Sie lachte.
    »O Nilufer . . .!« rief er und sprang auf.
    »Wie, mein Bey?« tat sie arglos. »Erst kitzeln Sie mich mit Ihrem Bart, was ich doch gar nicht leiden kann, und nun wollen Sie schelten? Setzen Sie sich wieder hin. Wenn Sie hier umherrennen, muß ich mich ebenfalls erheben, und wenn ich aufstehe, muß ich gehen.« Mit Befriedigung vermerkte Nilufer, daß er ihr gehorchte. »Ich möchte wohl sehen«, schloß sie mit einem Versuch, ihr Gesicht in die Falten der Strenge zu legen, »was Gregoras zu Ihnen sagen würde.«
    »Wer ist Gregoras?« fragte er.
    »Mein Hofmeister«, sagte sie, »vielmehr er war es. Aber er war nicht irgendeiner, der was gelernt hat und nichts weiter -das müssen Sie nicht denken, mein Bey. Haben Sie überhaupt schon mal einen Eunuchen gesehen?« fragte sie sehr von oben.
    Osman dachte an Schermugan, und der genüge für viele. Er hatte also einen gesehen, was Nilufer gar nicht ganz recht war.
    »Nun gut«, lenkte sie etwas ein, »so einer war also Gregoras. Ganz fein war er, immer in Weiß - Engel nennen sie so etwas in  Konstantinopel, und es hat den Vater viel Geld gekostet, daß der Grammatikos überhaupt nach Jarhissar kam. Er fand dann auch bei uns - alles ganz schrecklich. Besonders mich. Meine wilden Triebe müsse er beschneiden, sagte er, und das machte ihm so viel Mühe, daß er schließlich gern wieder nach Konstantinopel zurückging.«
    »Und dieser Gregoras . . .?« wollte Osman ein wenig nachhelfen . . .
    »Berufen Sie ihn lieber nicht!« warnte Nilufer. »Er sprach sehr schlecht von dem barbarischen Verhalten bärtiger Männer, und das muß ich auch sagen! Im Tschardak haben Sie mich geküßt. Auf den Mund. Und hier küßten Sie meinen Fuß. Ich bin wirklich neugierig, was Ihnen noch alles einfallen wird, bis Sie zu einem vernünftigen Entschluß kommen.« Leider beachtete Osman diesen Wink jedoch so wenig, daß sie plötzlich fern aller damenhaften Erhabenheit in einem ganz andern Ton ausrief: »Warum du eigentlich ein Moslem bist, der doch mehr als eine Frau haben darf, das möchte ich wohl wissen!«
    Ihm aber war, als habe sie ihm die Tür zu einem paradiesischen Garten geöffnet, in den einzutreten ihm auf ewig verboten sei.
    »Vorwürfe machst du mir«, konnte er nur antworten, »und ich kam zu dir, um deine Hilfe zu erbitten.«
    Er hätte nichts Besseres sagen können, um Nilufers Beharrlichkeit eine andere Richtung zu geben. Hilfe! Ihr Bahadur kam, sie um Hilfe zu bitten. Sofort schwelgte Nilufer im Gefühl einer nie empfundenen Wichtigkeit. Begierig lauschte sie, als Osman ihr seine Lage schilderte. »Du fühlst dich bedrängt?« fragte sie.
    »Ich war immer in Bedrängnis heute mehr als je.«
    »Aber du bist doch Bey?« verwunderte sie sich.
    »Die Sorgen eines Fürsten unterscheiden sich von denen anderer Leute oft nur durch ihre Größe.«
    »Könntest du dich nicht dennoch irren?« überlegte sie mit der Reife einer jungen Frau, die liebt. »Mein Vater müßte doch auch etwas wissen, und er hätte mir nichts verbergen können, das kannst du mir glauben!«
    »Vielleicht ist noch gar nichts geschehen, aber es liegt in der Luft. Auch meine ich nicht so sehr deine Leute wie die anderen christlichen Herren. Nicht einmal des Kir Michael fühle ich mich sicher. Und es wäre doch so gut, wenn ich bei den Christen einen zuverlässigen Freund hätte, dem dessen Glaubensgenossen nicht mißtrauen. Meinst du, daß Kir Joannes . . . ?«
    Nilufer kannte Joannes Mazaris nicht, aber auch sie konnte sich nicht denken, daß er jemals Osmans Freund sein würde, nicht einmal um den Preis seines Lebens und seiner Freiheit. Die Ana sei freilich in ihn verliebt . . .
    »Und sie, Kirina Ana? Wäre das Leben und die Freiheit des Joannes ihr vielleicht mehr wert als ihm selbst?«
    »Die Ana lut, was ich will!« erklärte Nilufer, ohne zu zaudern.
    »Solange du bei ihr bist«, schränkte Osman ein. »Bei uns freilich wäre ein Eid auf den Koran . . .«
    »Die Ana ist fromm«, unterbrach Nilufer ihn, »wenn man sie dazu brächte, auf Kreuz und Hostie zu schwören, könnte man ihr vertrauen. Aber das schwierige ist, daß sie ihrem Joannes nicht verraten dürfte, wem er in Wirklichkeit seine Befreiung zu danken hätte . . . Mädchen sind Gänse!« schloß

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