Malchatun
Osman, wenn er sich von dir trennte. Wie könnten wir glücklich werden ohne dich? Ich will doch nur, daß du uns nicht verstoßen sollst, und das müssen wir Frauen miteinander bereden. Osman ist dazu nicht imstande.«
Darin freilich mußte Malchatun der Kleinen zustimmen.
Ihr, seiner Frau, derartige Vorschläge zu machen, sei Osman allerdings nicht fähig, sagte sie und dachte dabei, wenig beglückt, wie gut das Mädchen ihn bereits kenne.
»Siehst du, Tante, wir verstehen uns schon«, erklärte Nilufer.
»Nicht ganz, Nenuphar«, meinte Malchatun und betonte Nilufers griechischen Namen.
Doch jetzt war es auch der Kirina zuviel, und zwar des Vorhaltens und Mahnens. Es sei doch alles so einfach, war sieüberzeugt. Aber könne man wohl mit diesen alten Leuten vernünftig reden? Man könne nicht !
»Bei allen Heiligen!« rief sie und sprang auf. »Hab’ ich ein Pferd, fahr’ ich nicht darauf zur See, und hab’ ich ein Schilf, versuche ich nicht, darauf zu reiten. Ihr aber seid Moslemin und gebärdet euch, als wäret ihr Christen. Aber das sag’ ich dir: ich geh’ zu deinem Vater und red’ so lange mit ihm, bis er mir ein Fetwa gibt, daß Osman mich neben dir zur Frau haben darf. Das muß dein Vater, es steht im Koran!« triumphierte sie.
»Aber nicht in der Bibel«, meinte Malchatun.
»Oh, in der Bibel steht es auch«, ließ Nilufer sich nicht abschrecken, »man braucht nur genau hinzuschauen im Alten Testament. Doch wenn man daraufzu sprechen kommt, dann weichen sie aus. Immer weichen sie aus, die Popen, die Eltern und alle, die einen erziehen wollen und entweder nichts wissen oder nicht die Wahrheit sagen.« Höchst rebellisch war Nilufer, um dann mit einem fast sanften Vorwurf zu schließen: »Ich meinte immer, du seiest anders«, sagte sie.
Malchatun verschränkte ihre Hände im Nacken. Warum siewohl dem Gedanken im Innersten so widerstrebe, sann sic, daß dieser schlanke Mädchenkörper, den sie doch liebe, sich genauso mit Osman vereine wie sieselbst? Es spreche sogar sehr viel für eine zweite Frau. Wohl habe sie, Allah sei Dank, zwei Söhne, aber in dieser menschenfressenden Zeit könne ein Fürst nie genug Kinder haben. Wer aber hindere Osman? Sie, Malchatun, die Begum, die doch eigentlich fördern solle, was ihm fromme, hindere Osman an der Erfüllung seiner Pflicht. Was einer geborenen Christin wie Nilufer so selbstverständlich dünke, dürfe doch sie, die Moslemin, nicht erschrecken. Könne sie sich denn eine liebere Schwester denken als Nilufer? Was mache schon der Altersunterschied, habe sie doch den Vater mit der um so vieles jüngeren Perid verheiratet! Selbstsüchtig schalt sie sich, neidisch, ja unfromm, und dennoch: ihr war, als sei ein Geheimnis in Gefahr, von dem die Unversehrtheit ihres Lebens abhänge. Sie richtete sich auf.
Glücklicherweise könnten sich Nilufers Wünsche niemals erfüllen, fiel ihr ein. Sie dachte >glücklicherweise< und empfand keine Reue darüber.
»Ich will dir nicht mehr Märchen erzählen«, sagte sie. »Auch will ich dir nicht Vorhalten, daß du Christin bist; denn offenbar scheinst du entschlossen zu sein, dich zum Islam zu bekehren.«
»Was macht denn das schon aus«, entgegnete Nilufer, »die Mutter ist Christin, und du bist Moslemin, und doch seid ihr Schwestern.«
»Wir sind es mehr, als wären wir leibliche«, bestätigte Malchatun.
»Und dir kann ich nicht widersprechen - meine eigene Mutter war Christin und nahm den Islam an. Aber da du dich zu groß für Märchen dünkst, darf ich dich wohl fragen, ob du schon einmal über Osmans Lage nachgedacht hast?«
Wenn Malchatun bei dieser Frage der Meinung gewesen war, Nilufer einer kindischen Unwissenheit und Gedankenlosigkeit überführen zu können, so mußte sie sich jetzt ihren Irrtum eingestehen. Es war klar, daß man auch in Jarhissar nicht einfach in den Tag hinein leben konnte und allem, was sich in Bithynien ereignete oder vorzubereiten schien, seine Aufmerksamkeit schenken mußte. Jedenfalls zeigte sich die junge Herrin gut unterrichtet, besser vielleicht als ihr eigener Vater. Gerade das Schwebende des gegenwärtigen Zustandes im Lande hatte sie sehr wohl erkannt, und daß er nicht mehr lange so währen könne und dann einem Umschwung in allen
Machtverhältnissen Platz machen müsse. Sehr bald werde die Entscheidung fallen, behauptete sie.
»Niemand weiß, wann und wo«, versuchte Malchatun diese Behauptung einzuschränken.
»Doch!« widersprach ihr aber Nilufer. »Ich kann es dir
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