Malchatun
einen Raum mit Ziegelboden, in dem man über Rollen an der Decke Kübel hochwinden und durch zweite Schnüre zum Kippen bringen konnte, auf daß sich der Inhalt in einem Schwall nach unten ergieße. Das war Malchatuns vielbewunderte Badegelegenheit, und es hatte manchen Klumpen Lehmes und noch mehr der Arbeit bedurft, die Risse in den Ziegeln und die Lücken auszufüllen sowie die Abflüsse wiederherzustellen. Alltäglich erfüllten Lachen und Geschrei nackter Mädchen und Frauen diesen Saal jetzt freilich war Nacht, und die einsame Fackel ließ kaum die Umrisse erkennen, indes Malchatun, nur von zwei Sklavinnen bedient, ihre beschmutzten Kleider abwarf, um sich dann erwärmtes Wasser über den Leib gießen zu lassen.
Danach jedoch gelüstete es sie nach der Ruhe des Bettes, und so schlüpfte sie, kaum abgetrocknet, schnell in einen sauberen Kaftan.
Mit der Ruhe wurde es freilich vorerst noch nichts; denn beim Betreten ihres Schlafzimmers fand sie es von allen Lampen erhellt, und sie erinnerte sich doch, daß die Dienerin nur eine entzündet habe.
»Laß uns allein bleiben, Tante«, bat nun auch noch jemand, den die Lehne des großen Stuhles verbarg, »ich möchte mit dir reden. Darf ich ?«
Nicht einen Augenblick zauderte Malchatun.
»Geh in den Schlafsaal«, bedeutete sie der Dienerin, »und halte deinen Mund verschlossen.« Sie kannte ihre Mädchen und wünschte kein Geschwätz über den späten Besuch. »Aber Kind«, sorgte sie sich, als sie Nilufers ansichtig wurde, »mit bloßen Füßen, und ausgezogen bist du auch schon?«
»Ich hab' warten müssen, bis die andern schliefen. Eher konnte ich nicht«, erklärte die junge Dame, als sei es das Selbstverständlichste von der Welt, ungeachtet der nächtlichen Stunde, nur mit einem Mantel bekleidet, in einem fremden Schlafzimmer zu hocken.
»Und wenn Osman nun gekommen wäre:’«
»Ich weiß doch, daß er fort ist.«
»Das ist nie ganz sicher«, meinte Malchatun. »Manchmal kehrt er unversehens zurück, und kaum einer weiß, daß er im Schloß ist.«
»Außer dir natürlich«, sagte Nilufer mit einem Anflug von Vorwurf. »Nun ja«, gab sie dann großmütig zu, »schließlich bist du ja seine Frau.«
»Schließlich . . . ja . . .«, dehnte Malchatun die Silben.
Sie glaubte mehr zu wissen, als siefreiwillig zugegeben hätte. Dennoch fand sie dies nächtliche Beisammensein noch nicht beängstigend. Ein kleines Mädchen, das verliebt sei! dachte sie. Ein wenig schmeichelte ihr das sogar. Nilufers Verliebtheit erhöhte gewissermaßen den Wert ihres Besitzes. Denn für sie war Osman ihr Besitz, und sie liebte ihn mit allen seinen Schwächen, ja, vielleicht hätte sie ihn ohne diese Schwächen weniger geliebt. Wie ein Pfau werde er, um sich von diesem halben Kind anschmachten zu lassen, sein Rad geschlagen haben, war sie überzeugt. Aber offenbar sei es nun an der Zeit, aus dem verwirrenden Helden auch in Nilufers Augen wieder einen guten Familienvater und verantwortungsbewußten Fürsten zu machen. Gerade des Kindes wegen sei das nötig. Denn daß es da vor ihr mit untergeschlagenen Füßen auf dem Stuhlsitz kauere, sei wohl nicht ganz das richtige. Mädchen gehören nachts in die Betten, war ihre mütterliche Meinung, zuerst in das eigene und später in das des Eheherrn. Schließlich sei Nilufer die geliebte Tochter ihrer lieben Apollonia, und es sei unverantwortlich von dem Mannsbild Osman, der Kleinen den Kopf zu verdrehen.
Der letzte Gedanke war allerdings mehr ein Schmunzeln als ein Zürnen.
»Bist du gekommen, mit mir von Osman zu reden?« fragte sie geradezu.
Die Antwort fiel jedoch ganz gegen Malchatuns Erwarten aus.
»Ja«, sagte Nilufer.
34
Wenn auch vorerst noch nichts geschah, war es mit Malchatuns Schmunzeln doch vorbei. Nilufers Offenherzigkeit ließ sie auf einen schon verhärteten Willen schließen, der gebrochen werden müsse. Ihr wäre es lieber gewesen, das Mädchen hätte irgendeine Ausflucht versucht.
So verschaffte sich Malchatun denn Zeit zum Überlegen, indem sie in einem Nebenraum verschwand und mit einem Fuchspelz zurückkam, den sie sorglich um Nilufer legte. »Du könntest dich erkälten, Liebling«, meinte sie, »die Nächte sind schon recht frisch. Oder willst du lieber zu mir ins Bett kommen?«
Nilufer wollte nicht. Es lasse sich besser sprechen, wenn man sich gegenübersitze, erklärte sie, worauf Malchatun ihr beipflichtete und dem Stuhl eine Drehung zum Bett gab. Auch ihr war es jetzt lieber, das Gespräch auf eine
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