Malchatun
ich doch von Mutter her eine Kontophres bin, und natürlich auch in Jarhissar und Jundhissar. Und was glaubst du wohl, was die Leute alles anstellen, wenn ich mal nach Biledschik komme!«
»Du bist eben die Erbprinzessin. Kronprinzen sind meist beliebter als die Herrscher.«
»Gehörst du etwa auch zu denen, die da meinen, daß es ganz gleich sei, was das Volk wolle? Onkel Salmenikos glaubt das.«
»Ich nicht, Nilufer.«
»Dann siehst du doch selbst, Tante, wie notwendig es ist, daß wir Zusammenhalten und zusammenbleiben.«
Mit Osman sich selbst verlieren? wiederholten Malchatuns Gedanken. Wie nun, wenn es Osman zum Vorteil gereiche? Denn so unrecht habe die Kleine nicht. Allerdings . . .
»Denke einmal nach, Nilufer. Aber denke nicht an dich und nicht an mich, sondern nur an Osman.«
»Das tue ich doch die ganze Zeit!«
»Das tatest du nicht, sonst hättest du dich gefragt, was wohl geschähe, wenn Osman um dich als seine zweite Frau werben würde. Ich denke, du kennst die Antwort deines christlichen Vaters?«
»Natürlich würde er nein sagen! Er will doch, daß ich den Onkel heirate. Aber . . .«
»Es gibt kein Aber, mein Kind. Dein Vater würde nein sagen und, was mehr ist, Salmenikos auch. Sie können gar nicht anders, selbst deine Mutter könnte es nicht wollen. Nicht einmal in den kaiserlichen Harem zu Ikonium hat jemals eine Asanes geheiratet. Als Erste Frau des Sultans wäre sie nicht vornehm genug und sonst zu vornehm gewesen. Vergiß nicht, die Asanes stehen in der Hofmatrikel von Konstantinopel. Darauf ist Kir Salmenikos besonders stolz. Und nun sollen sie dich als Zweite Frau und noch dazu mit dem ganzen Familienbesitz einem andersgläubigen Manne geben, dessen Vater erst vor einem Menschenalter ins Land kam?«
»Freilich, wenn man alles gleich so umständlich wie nur möglich auffassen will . . .«, schmollte die kleine Dame.
»Wie denn anders?« fragte Malchatun. »Du befindest dich hier unter Osmans und meinem Schutz. Sollen wir dich gegen den Willen deiner Verwandten ehrvergessen in Karadschahissar zurückhalten? Nicht nur die christlichen Herren und der Bey von Kermian ließen aufsitzen - auch vom Sultan Alaeddin wäre nichts zu erwarten als die Achterklärung gegen Osman. Kannst du seinen Untergang wollen, wenn du ihn liebst?«
»Sagst du das nun, weil ich es bin, die du nicht willst?« fragte Nilufer.
»Ich sage es, weil es so ist«, wich Malchatun aus.
»Und ich meine doch gar nicht, daß er mich gleich heiraten müsse. Aber es kann sich vieles ändern und dann . . . Du verkennst mich, Tante. Ich will ihm nicht schaden. Ganz im Gegenteil! Hilfe versprach ich ihm! Hat er dir nichts davon erzählt?«
Malchatun wurde es gar nicht leicht, ihre Unkenntnis einzugestehen. Osman habe also Geheimnisse mit diesem Mädchen - so weit sei es schon, bekümmerte sie sich. Darüber konnte ihr auch nicht hinweghelfen, daß Nilufer ihr jetzt die Abmachung mit Osman im Hinblick auf Kir Joannes und Kirina Ana preisgab.
»Und du meinst, Ana Tagaris würde ihren Schwur halten?« fragte Malchatun dennoch, weil sie die Durchführung dieser List sofort als möglich und im Falle des Gelingens auch als überaus nützlich erkannte.
»Dafür laß mich nur sorgen«, meinte Nilufer, »sie wird schon!« Aber das klang ein wenig, als verberge sie ein Geheimnis hinter der Prahlerei. Jedenfalls glaubten Malchatuns geschärfte Ohren etwas Ähnliches herauszuhören.
Sie war eben argwöhnischer als Osman und nahm sich vor, die Kleine nicht unbeobachtet zu lassen. Das sei sie deren Mutter schuldig, beschwichtigte sie dabei ihr Gewissen, und So ganz unrecht hatte sie auch nicht.
Nilufer jedoch war viel zu sehr von der großen Rolle durchdrungen, die sie sich in dieser Angelegenheit gesichert hatte, um nicht die Führung an sich reißen zu wollen.
»Wir müssen es wissen, wenn die Leute am Olymp etwas gegen Osman aushecken«, rief sie, »und wir werden es erfahren, verlaß dich darauf! - Ist die Gefahr übrigens wirklich so groß?« fragte sie dann ein wenig mit der Überlegenheit, die ein erhöhter Standpunkt verleiht. »Osman hat seine Leute fest in der Hand, dagegen sind die Archonten uneinig wie stets, und wir Asanes sind mit euch befreundet.«
»Kannst du mir sagen, wie lange noch, Nilufer?« meinte Malchatun dagegen in einem Nebenbei, das die Bedeutsamkeit der Frage gerade unterstrich.
Einen Augenblick nur zauderte Nilufer. Dann hatte sie verstanden! »Und dabei willst du, daß ich Salmenikos heirate!«
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