Malchatun
sagen. Wo? Hier. In diesem Zimmer. Und wann? Heute. Zwischen dir und mir, in dieser Nacht, fällt die Entscheidung. Mit mir bekommt Osman meine Burgen und Städte. Ich habe nicht weniger, eher mehr als ihr. Damit ist alles entschieden. Wer will Osman bei solchem Zuwachs an Macht noch widerstehen?«
»Vorläufig gehört dir nicht eine einzige Burg und keine Stadt«, stellte Malchatun unerbittlich fest. »Jarhissar gehört deinen Eltern und alles zusammen dem Salmenikos. Du wirst ihn nehmen müssen, liebes Kind. Es wird dir nichts anderes übrigbleiben«, schloß sie mit der fast grausamen Genugtuung, daß ihre Worte unumstößliche Tatsachen seien. Aber was bedeuten Tatsachen der Jugend?
»Nie!« sagte Nilufer. - Das war alles.
Salmenikos . . .
Malchatun erstaunte über sich selbst, doch ihrer unbestechlichen Wahrheitsliebe konnte sie nicht verhehlen, daß sie einen ganz echten Ärger über die Entschiedenheit empfinde, mit der dieses Kind den Herrn von Biledschik ablehne. Als ein Angriff gegen sich selbst erschien ihr das. Seien ihre eigenen Instinkte damals so viel schwächer gewesen als heute die der Nilufer?
»Sagtest du das nur, weil du nach deiner Meinung Osman liebst?« fragte sie. »So wenigstens verstand ich dich.«
»Das ist es nicht allein«, lehnte Nilufer diese Deutung ab. »Selbst wenn es nie einen Osman gegeben hätte, würde ich Salmenikos doch nicht wollen.«
»Warum nicht?« fragte Malchatun mit einer Schärfe, die so gar nicht begründet schien.
Die Antwort ließ freilich auf sich warten.
»Du kennst ihn doch selbst... den Salmenikos . . .«, sagte Nilufer schließlich.
»Wer hat . . .«
Wer ihr das gesagt habe, hatte Malchatun fragen wollen, sich dann aber besonnen, daß Apollonia vielleicht eine Bemerkung gemacht haben könne - sei ihre, Malchatuns, Verbindung mit Salmenikos doch einst deren innigster Wunsch gewesen.
»Also gut«, fuhr sie fort, »ich kenne ihn. Dann laß dir aber auch sagen, daß ich Kir Salmenikos immer nur als einen Weltmann von besten Formen, von großem Wissen und einer oft bewährten Klugheit erfunden habe.«
»Und geschniegelt wird er damals auch schon gewesen sein, nur daß er sich heute Haare und Bart färben muß. Gescheit ist er trotzdem - dagegen kann ich nichts sagen. Wenn er nur nicht selbst so unerträglich überzeugt davon wäre! Immer hält er für uns andere arme Leute ein mildes Lächeln erhabener Nachsicht bereit. Immer hat er recht. Es ist schrecklich! Wenn er etwas gesagt hat, kann man ihm nie widersprechen. Ich begreife schon, warum du nicht ihn, sondern Osman geheiratet hast. Aber für mich, meinst du, sei Salmenikos gut genug. Ich will aber keinen Mann, der immer recht hat, und statt des ganzen Salmenikos für mich allein begnüge ich mich lieber mit einem Teil von Osman!« Ganz erhitzt warf sich Nilufer nach diesem wilden Protest in die Kissen ihres Stuhles.
Lieber einen Teil von Osman als den ganzen Salmenikos das sei es also, dachte Malchatun, und eigentlich müsse sie selbst sich schämen, nicht ebenso großherzig empfinden zu können. Doch für Nilufer bedeute die Doppelehe eben nur einen Wechsel der Konfession, aus dem sie sich offenbar wenig mache, und im Grunde sei sie selbst, Malchatun, ebenfalls in zwei Religionen aufgewachsen. Wenn sie sich zum Islam bekenne, so sei das auch mehr Tradition der Familie und Rücksicht auf den Vater als bedingungslose Rechtgläubigkeit. Dennoch müßte sie als eine Moslemin die Mehrehe als solche anerkennen und demnach Osman Nilufer gönnen. Doch da sei etwas anderes, was nichts mit Islam und Christentum zu tun habe. Ihr sei eben der Weg zu Osman sehr schwer geworden. Und dann habe sie um ihn gekämpft. Osman sei auch ihr Werk. Osman seien er und sie. Ganz sei sie ein Teil von Osman geworden, und mit ihm würde sie sich selbst verlieren. Wie könne man teilen, was ein Ganzes geworden sei ?
Nilufer hatte sich unterdes gefaßt.
»Übrigens, was du vorhin sagtest, Tante Malchatun, von den Burgen und Städten, die mir noch nicht gehören«, kam sie auf Malchatuns »Tatsachen« zurück, »das stimmt wohl und stimmt auch wieder nicht. Onkel Salmenikos ist gar nicht sehr beliebt bei den Untertanen. Vielleicht war er einmal anders, aber das war dann eben früher. Ich weiß nur, daß er mit einem milden Lächeln sehr hart sein kann. Nichts hassen die Leute so wie lächelnde Härte. Den Vater haben sie jedenfalls viel lieber, selbst die Mutter, am liebsten jedoch haben sie mich. Vor allem in Eskischehr, weil
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