Malchatun
empörte sie sich.
»Vielleicht hielte er uns dann die Treue«, warf Malchatun wie eine Frage hin.
»Meinetwegen?« kam es von Nilufer voll Hohn zurück. »Dem Salmenikos ist seine Nachtmütze wichtiger als ich. Aber er soll es nur wagen!« drohte sie. »Ich weiß, was ich dann tue.«
»Und was tätest du?« lächelte Malchatun in der Hoffnung, Nachsicht mit der kleinen Unentwegten üben zu müssen.
»Ich ritte nach Eskischehr und ließe euch als meine Verbündeten in die Stadt«, sagte Nilufer jedoch, als habe siealles längst überlegt. »Auch dich, Tante, lieben die Leute dort. Überhaupt gehört Eskischehr gar nicht Salmenikos, sondern uns.«
So unausführbar sei dieser Plan keineswegs, mußte Malchatun sich sagen, und gerade das ließ ihr Lächeln verschwinden.
Nilufer aber warf ihre Arme stürmisch um Malchatuns Nacken. »Und wenn es so kommen sollte und Osman hätte nichts mehr zu fürchten, sag mir, Liebste, ob du mich dann noch verwürfest?«
Während Malchatun das bebende Mädchen streichelte, verlor sich ihr Blick ins Unsichtbare. Schließlich überwand sie sich zu einem Satz, der ihr schwerer wurde als alles, was sie je zuvor in ihrem Leben gesprochen hatte.
»Wir werden tun, was Osman zum Besten gereicht«, sagte sie leise. Und dann nach einer Weile: »Komm jetzt in mein Bett, daß du nicht frierst . . . meine . . . Schwester . . .«
35
»Du hast geschworen, Ana, ich hoffe, du wirst das nie vergessen«, sagte Nilufer.
»Wie könnte ich, Nilufer!« beteuerte Kirina Ana.
Doch so leicht war Nilufer nicht zufriedenzustellen.
»Du weißt, was die Hölle ist«, mahnte sie. »Unausdenkbar schrecklich muß die Verdammnis sein - ohne alle Hoffnung, so für alle Ewigkeit! Daran mußt du immer denken, Anizza! Ein Wort von dir - und es ist geschehen. Gott sieht dich nicht mehr an und kein Heiliger, keine Heilige und kein Engel! Die Muttergottes gar . . .«
»Aber ich bin doch Christin, Nilufer! Kannst du denn daran zweifeln ?«
»Ich zweifle gar nicht. Und ich meine ja auch nur, daß selbst die Muttergottes kein Erbarmen mit dir hätte. Ausspucken würde sie vor dir und dich zu allem übrigen noch für hunderttausend Jahre nackend in glühendes Blei tunken lassen . . .«
»Du bist schrecklich, Nilufer, Liebe, hör doch auf. Ich fürchte mich vor dir. Ich hab’ doch gar nichts Böses getan!«
»Fürchte dich immerhin, Ana Tagaris, und glaube nicht, daß ein Pfaffe dich jemals lossprechen könnte. Wenn er das täte, käme er nur selbst in die Verdammnis, ohne dich davor zu bewahren. Gar nichts würde es dir nützen. Nicht einmal Christus könnte etwas für dich tun. Niedergefahren zur Hölle, heißt es, und am dritten Tage wieder auferstanden von den Toten. Aber nichts, keine Silbe steht in der Bibel darüber, daß er, wozu er doch damals die schönste Gelegenheit gehabt hätte, auch nur eine einzige verdammte Seele befreit habe. Er vermochte es nicht; denn die Hölle ist nicht nur für schlechte Christen, sie ist für alle schlechten Menschen, Christen, Nestorianer, Mohammedaner, Juden, Mongolen und Mameluken.«
»Wenn du so weitersprichst, muß ich weinen!« verkündete Kirina Ana mit zuckendem Mund.
»Über die Mameluken willst du weinen? Was gehen dich die Mameluken an?« wies Nilufer sie zurecht. »Denke lieber an deinen Joannes und daß du ihm kein Wort darüber verraten darfst, wer ihm in Wirklichkeit seine Freiheit geschenkt hat. Dankbar ist der, wie wir wissen, ja doch nicht!«
»Aber ich, Nilufer!« beteuerte Ana. »Du glaubst gar nicht, wie dankbar ich dir bin!«
»Das darfst du ruhig sagen, und dich selbst brauchst du auch nicht zu vergessen. Soll er uns ruhig dankbar sein, dein Joannes, besonders dir. Aber in der Hauptsache schuldest du doch wohl Osman Erkenntlichkeit. Schließlich ist er es doch, der deinen Joannes, statt ihm den Lockenkopf abschlagen zu lassen, in die Freiheit entläßt.«
»Ich kann es noch gar nicht recht glauben«, bangte Kirina Ana. »Sag doch, Nilufer, es wird doch gewiß nichts dazwischenkommen . . .?«
»Naß werden wird dein Joannes«, meinte Nilufer, jeder
Rührung bar, »denn durch den Bach müssen die beiden, und vielleicht bekommt er 'nen Schnupfen . . .«
Sie sagte noch vieles. Auf keinen Fall wollte sie, daß Ana wieder davon anfangen solle, sie, Nilufer, zur Umkehr zu bewegen. Es sei etwas anderes, war nämlich Anas Meinung, wenn sie selbst mit Gottes Hilfe und Osmans Gewährung Karadschahissar verlasse, und sei es auch in Begleitung des
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