Malchatun
Karadschahissar könne er, der rechtgläubige Philippus, nie mehr zurück, und wohin er sich sonst wenden solle, wisse er nicht.
Was hätte Kir Joannes sagen sollen? Nach dem Besuch des Scharfrichters und des Barbiers war er ohnehin nicht geneigt, viele Umstände zu machen. Außerdem war er arm und konnte einen billigen Diener gebrauchen. Philippes aber verlangte nicht einmal das Gewand und nur ein bißchen Essen. Statt des
Lohnes gar wollte er sich mit dem Anteil an etwaiger Beute begnügen. Unter solchen Umständen war der Handel bald gemacht.
»Ruhe dich aus und gib mir einstweilen die Feile«, sagte Kir Joannes.
Auf einmal konnte es dem edlen Herrn nicht schnell genug gehen.
Zeus II, der Stier, befand sich im Zustand eines unausgeglichenen Gemütes. Sonst war er sich seiner Zu- und Abneigungen immer völlig klar, und mit ebensolcher Entschiedenheit pflegte er sie zu äußern. Diese Eigenschaft hatte er von seinem Vater geerbt, jenem ersten Zeus, der einst Frau Perids Liebling und zuweilen auch deren Reittier gewesen war, damals nämlich, als Perid es noch nicht bis zur Würde einer Mutter der Gläubigen gebracht und infolgedessen auch keine Veranlassung gehabt hatte, sich dementsprechend zu benehmen. Heute kann sie nur selten in den Stierstall, der nach ihrer Meinung der Frau des großen Edebali nicht mehr recht anstehe.
Die kleine Perid von einst war ein wenig hoffärtig geworden. Aber das war ihr stärkster Halt. Im Schutz ihres weißbärtigen Gatten mußte sie, um glücklich zu sein, sich über alle anderen Weiber erhaben fühlen.
So war sie es denn auch nicht, die Zeus II in solche Unruhe versetzt hatte. Zu anderen Zeiten ging die Frau, die es tat, nie durch die Doppelreihe der angeketteten Rinder, ohne mit dieser oder jener Kuh, besonders nach dem Kalben, eine kleine Zärtlichkeit auszutauschen, und bei Zeus blieb sie ein jedes Mal stehen, ihm die Stirne zu kraulen. Auch heute war das geschehen, nachdem sie mitternächtlicherweile mit einer fackeltragenden Sklavin den langen Gang aus festgestampfter Erde entlanggekommen war. Bei keinem Stand hatte sie sich verweilt, nur bei dem des Zeus. Doch der verleugnete all seine Höflichkeit, die er ihr sonst bezeigte. Kettenklirrend und schnaubend wich er vor der sonst so Vertrauten zurück.
»Er riecht das Blut«, sagte die Sklavin und wandte sich zum dunklen Gang zurück, in dessen fernes Ende aus einer halboffenen Tür Licht hereindrang.
Dieser Lichtstrahl kam aus einem der Pferdeställe, und zwar dem der kostbaren arabischen Zuchtstuten, deren Aufgabe es war, die Rasse der ausdauernden, aber unansehnlichen Turkmenenpferde zu veredeln. Bei den Pferden war jedoch schon wieder alles in Ordnung. Die Mutterstute hing mehr in ihren Gurten, als daß sie stand, und leckte ihr neugeborenes Fohlen.
Wenn sich der Bey, wie gerade in diesen Tagen, fern von Karadschahissar auf der Streife befand, ließ Malchatun das eine oder andere ihrer Mädchen in ihrem Zimmer schlafen. Heute war das die Fackelträgerin gewesen, und die hatte die Herrin geweckt, da Hawa, die leichtfüßige Gefährtin des Windes, nicht fohlen könne und Schlimmes für die Stute zu befürchten sei.
Tier oder Mensch - Malchatun war mit dem Reiter- und Herdenvolk schon viel zu verwachsen, um die gebildete Dame herauszukehren, und da ihre Leute nun einmal überzeugt waren, daß sie, wenn sie nur wolle, alles vermöge, war sie in den Stall gekommen und hatte das Ihre getan, um die mütterliche Kreatur von der reifen Bürde zu befreien. Sehr zur Freude der Stalleute war das geschehen; denn Osmans Zorn konnte gewaltig sein! Aber Malchatun war nicht weniger froh als die Knechte. Als Araberin hatte sie einen hohen Begriff von der Vornehmheit eines Pferdes von Geblüt. Sie hatte sich darum auch nicht geschont. Bis an die Ellenbogen war sie im Leib der Tiermutter gewesen.
»Das Wasser ist schon heiß«, drängte die Dienerin.
»Lassen wir ihn also«, lächelte Malchatun und zog ihren schwarzen Mantel fest um sich. »Selbst der Stier will mich nicht. Es ist auch kein schöner Anblick, den ich jetzt biete.«
»Es ist mehr der Geruch«, meinte die andere. »Das Blut macht ihn wild.«
»Hat er nicht recht?« antwortete Malchatun im Weiterschreiten mit einer Frage. »Wie kann der Stier wissen, daß dies das Blut des neuen Lebens ist?«
Wenn es jemals im alten Melangeia ein Schwimmbad gegeben hatte, so war es längst den vielen Umbauten zum Opfer gefallen. Nicht eine Spur fand sich mehr von ihm. Dagegen gab es
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