Malchatun
der Botschaft an Salmenikos gekannt. Denn daß Malchatun Kir Michael abgefangen und verhört habe, daran zweifelte sie nicht.
Schließlich mußte Kira Apollonia jedoch von der Angelegenheit sprechen, vor der sie sich so fürchtete. Es sei soweit, sagte sie, und Nilufer müsse nun ihren Onkel heiraten.
Sie erklärte das in einem Ton, als handle es sich um etwas so Selbstverständliches, daß man kaum noch darüber zu reden brauche.
Aber leider widersprach die junge Kirina in gleicher Weise. Nein, sagte sie, und siewerde nicht. Auch unterließ sie es keineswegs, hinzuzufügen, daß sie ihre Ablehnung doch schon zu oft und zu deutlich kundgetan habe, als daß sich jetzt noch irgend jemand darüber wundem dürfe.
Und das Kind möge doch Vernunft annehmen! flehte Apollonia.
»Das kenne ich«, meinte das Kind, »wenn ihr alten Leute von >Vernunftannehmen< sprecht, dann habt ihr uns Jungen immer etwas ganz Ausgefallenes vorzuschlagen, was jeglicher Vernunft ermangelt. Kannst du mir etwa sagen, warum ich Salmenikos nehmen sollte? Ich mag ihn nicht einmal als Onkel. Glaubst du, daß er mir als Mann besser gefallen würde?«
»Es handelt sich doch nicht nur um dich!« rief die Mutter in ihrer Ratlosigkeit.
»Ausgezeichnet«, antwortete die Tochter kühl, »wenn es sich nicht um mich handelt, dann braucht ihr mich ja auch nicht dabei.«
»Du bist doch schon groß genug, daß du auch einmal an deine Familie denken könntest«, stellte Apollonia ihr vor.
»Meine Familie bist du und der Vater«, meinte Nilufer, »aber es will mir nicht in den Kopf, warum ich, nur um euch einen Spaß zu machen, zu einem stocksteifen alten Mann ins Bett kriechen muß.«
»Du verdienst, daß ich dich . . .«
». . . übers Knie lege und dir deinen Hintern verhaue«, ergänzte Nilufer ruhigen Gemütes. »Das wäre nun wirklich nicht das erste Mal.«
»Weil es nur zu oft nötig war!«
»Oder weil du es zu oft tatest. Denn sag einmal ehrlich, Mutter, hast du jemals etwas durch Prügel bei mir erreicht?«
»Leider nein, du ungeratenes Kind!«
»Deine Schuld. Wenn man sich erst zu sehr an etwas gewöhnt, wirkt es nicht mehr. Versuch es doch und laß mich zum Altar schleifen, und das wirst du müssen, wenn du mich hinkriegen willst. Vielleicht gedenkst du, mich auf diese Weise für Salmenikos zu begeistern? Aber du irrst dich, Mutter. Ich würde nur so laut und so lange Nein! schreien, sag’ ich dir, daß kein Mensch hinterher behaupten könne, ich -hätte das Ekel geheiratet.«
»Oh, Nilufer, ich will dich nicht mehr schlagen. Es wäre schade um die Ruten, du bist viel zu verstockt!« entschloß sich Apollonia zu einem Verzicht, der nicht ohne Bitterkeit war. »Doch komm her, mein Kind«, rettete sie sich dann in eine überlegen sein sollende Milde, »sieh mir in die Augen.«
Und Nilufer sah ihr in die Augen, weil sie keinen Grund wußte, warum sie der Mutter diesen Gefallen nicht tun sollte. Hierauf zeigte sich Kira Apollonia dann ihrer Neigung zu Gefühlsseligkeiten nicht mehr gewachsen und vergoß einige Tränen.
»Nein, mein Kind«, sagte sie, »ich kenne dich, du hast nichts Schlechtes getan, und niemand hat dir Böses zugemutet, niemand in Karadschahissar, nicht wahr?«
»Den möchte ich sehen, der . . .«, wollte Nilufer beginnen . . .
»Nun also!« unterbrach die Mutter sie jedoch. »Überlege aber, was sich alles daraus ergeben könnte, wenn Kir Salmenikos deine Weigerung auf unseren Aufenthalt in Karadschahissar zurückführen würde. Streit und selbst Krieg könnten daraus entstehen! Und überhaupt verstehe ich dich nicht«, sagte sie, in der Erinnerung an ihre Jungmädchenträume nicht wenig gekränkt, »dein Onkel ist doch der eleganteste Mann in Bithynien !«
»Dann verstehe ich dich nicht, warum du ihn nicht selbst genommen hast.«
»Du unausstehliches, freche? Geschöpf, du!« rief Kira Apollonia empört, und, ihrer feierlichen Versicherung zuwider, klatschte sie der Tochter nun doch die beringte Hand durchaus nicht sanft auf deren anmutige Wange.
Freilich verriet die große Dame auch, wie gern sie - wenn der Angeschwärmte nur die leiseste Neigung dazu hätte erkennen lassen - den Biledschiker genommen hätte -, und Nilufer wiederum war schon Frau genug, um die Blöße einer andern, mochte es die der eigenen Mutter sein, zu erspähen. An Backpfeifen war sie gewöhnt, die pflegten sonst umfassendere Erziehungsmaßnahmen einzuleiten, um so mehr aber fühlte sie sich als Tochter in ihrem geliebten Vater gekränkt, und
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