Malchatun
Orkhan nur ein großer Junge. Für den fühlte sie sich verantwortlich, sie konnte nicht anders.
»Kira Apollonia geruhte, mir auf diese Weise den Eintritt in Jundhissar zu ermöglichen. Ich soll mit dir reden, Nilufer«, versuchte er sie über seine Verkleidung zu beruhigen.
Er erreichte das Gegenteil. Daß die Mutter den Orkhan zu ihr schicke, und noch dazu auf so geheimnisvolle Art, schien ihr wenig glaublich. Was könne es wohl geben, was sie ihr nicht selbst hätte sagen können? Zur Ausführlichkeit lud sie ihn darum nicht gerade ein.
»Eil dich, Orkhan, ich warte!« trieb sie ihn an und hob hochmütig witternd die Stupsnase.
»Daß du den Salmenikos heiraten mögest, soll ich dir sagen, Nilufer.«
»Und dazu braucht die Mutter dich?! Was fällt ihr ein! Und du? Hast du nicht gehört, was hier eben gesprochen wurde? Und glaubst du mehr über mich zu vermögen als die Mutter? Ich meine, ihr seid beide nicht bei Verstand. Zu denken, daß du mich mit Salmenikos verkuppeln möchtest . . .«
»Oh, Nilufer!« unterbrach Orkhan sie. »Ich? Ich sollte das wünschen ...?!«
Jetzt erst erblickte Nilufer im Gesichte des Jünglings die Verzweiflung. »Dann möchte ich wohl wissen, warum du es mir rätst«, meinte sie etwas milder gestimmt.
»Warum? Die wirklichen Gründe weiß auch ich nicht. Deine Mutter, glaub’ ich, hat noch weniger erfahren als ich. Aber ich habe den Auftrag, es dir zu sagen.«
»Siehst du, so ist es!« fiel Nilufer ein. »Immer haben sie ihre Geheimnisse, diese Eltern und was dazu gehört, und wenn man fragt, heißt es immer gleich: >Das verstehst du noch nicht<, und tun dabei, als hätten sie den Stein der Weisen entdeckt. Kommen sie dann aber damit heraus - und lange können sie es ja doch nicht für sich behalten -, da sieht man dann gleich, was für einen Unsinn sie ausgeheckt haben. Wundern muß ich mich nur über dich, Orkhan, daß du, ein gescheiter Junge, alles so brav ausfuhrst, was man dir aufträgt. Das tut doch kein Mann!«
»Doch, gerade!« versuchte er sie aufzuklären, und da sie von der Tischecke gerade aufreizend ihr linkes Bein schlenkern ließ, setzte er sich in seinem Eifer ihr gegenüber auf die Bank. »Ich bin doch ein Befehlshaber«, belehrte er sie, »das darfst du nicht vergessen. Wenn ich will, daß meine Männer mir gehorchen, dann darf ich mich der Begum, meiner Mutter, und dem Bey, meinem Vater, auch nicht widersetzen. Du weißt doch, daß ich der Erbe bin, der künftige Bey!«
»Aber du hättest doch fragen können!« warf sie ihm vor.
»Das gehört sich nicht«, lehnte er ab. »Man muß warten, bis es einem gesagt wird, und wird es nicht gesagt, dann weiß man, daß man es nicht wissen soll.«
Nilufer schüttelte den Kopf.
»Ich frage; immer«, sagte sie, »und natürlich mögen sie das nicht, aber wenn mein Vater hier wäre - da könnte meine Mutter sagen, was sie wollte -, dann wüßte ich es gleich. Der kann mir überhaupt nichts verbergen, wenn er es manchmal auch möchte.«
»Freilich . . .«, meinte Orkhan nachdenklich, »bei euch Mädchen mag das alles ganz anders sein. Davon verstehe ich nichts. Denn bist du kamst, habe ich mir nie etwas aus Mädchen gemacht. Aber das kannst du mir glauben«, schloß er im Ton einer unerschütterlichen Überzeugung, »bei uns Männern ist es so, wie ich es dir sage.«
Voll Zustimmung, wenn auch mehr im Sinne einer allgemeinen Betrachtung, nickte Nilufer.
»Ach ja«, klagte sie, »man hat es nicht leicht mit seinen Eltern. Und da wirst du Armer von Karadschahissar hergejagt und weißt nun nicht, wie du hier wieder ’rauskommst.«
Wenn Orkhan sich durch sein Verhältnis zu Nilufer und durch seinen Auftrag nicht so bedrückt gefühlt hätte, würde er gelacht haben.
»Hier nicht ’rauskommen?« fragte er, nun aber wenigstens in einem Ton erhabener Verachtung für das bevorstehende Unternehmen. »Das laß nur meine Sorge sein. Lange werde ich mich nicht verweilen. Niemand darf wissen, daß wir uns gesprochen haben, Nilufer.«
»Ja, aber . . .«
»Meine Männer warten mit Pferden. Wir reiten die Nacht hindurch.« Nilufer kannte Jundhissar nur mit den Befestigungen, die damals, als Malchatun vergebens Einlaß begehrt hatte, noch nicht vorhanden gewesen waren. Sie wußte also, wie schwierig das Ausbrechen sein würde, und empfing somit von Orkhans Heldenhaftigkeit einen stärkeren Eindruck, als sie ihm und sich selbst zugestehen mochte. »Allerdings, Tante Malchatun wird sich schon nach dir bangen«, fiel sie
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