Malchatun
Tage des Sieges die Braut.
Als alles vorüber war und die Mannschaften ihre Posten bezogen hatten, bestieg Salmenikos den höchsten Turm des Schlosses von Eskischehr. Sein Blick schweifte über die Stadt, das alte Doryläum, über den Pursuk und eine Altwasserbucht, an deren Ufer er zum erstenmal Marula begegnet war, über die Ebene, über die Berge . . . Ein Wind wehte vom Tumanidsch.
Salmenikos war Sieger und stand an seinem Ziel. Aber - er stand allein.
DRITTES BUCH
15
»Bleib doch, Engel des Herrn, und verlaß deinen Knecht nicht! - Nimm dein Lachen nicht von mir, Engel des Herrn! Es kommt über mich, das Weib aus dem feurigen Abgrund -mit den Flammen und dem Gesicht des Zorns und dem Blutmond - mit dem blutenden Mond. Viele Augen sind um mich, glühende Augen - und das Weib aus dem Abgrund schwingt die gebogene Klinge des Grauens . . .«
Bei diesen Worten des Kranken bedeckte Malchatun dessen Augen und Gesicht mit einem gewässerten, kühlenden Leinen.
»Ich versinke!« rief Kir Michael. »Halte mich, Engel! Das Gesicht ist über mir mit den roten Haaren der Hölle . . .«
»Mit den Haaren der Hölle meint er dich«, kicherte die kleine Perid. Doch nun versuchte sie, sich einen Ausdruck von Entrüstung abzugewinnen, der ihrem immer heiteren Gesicht nicht recht gelang. »Der Ungläubige sollte sich schämen«, sagte sie, »so von deinen Haaren zu sprechen, wo er doch selber ein Fuchs ist, dieser Rote!«
»Ein Fuchs wie ich«, lächelte Malchatun.
»O nein!« beteuerte Perid ein wenig verlegen. »Viel, viel mehr ist er ein Fuchs! Sieh doch nur seinen dummen Spitzbart. -Ach, Malchatun«, unterbrach sie sich, »immer lachst du mich aus . . .«
»Engel des Herrn!« schrie Michael. »Ich fliege! Ein Drache sitzt mir im Bauch, ein schreckliches Grimmen - Engel des Herrn . . .«, verlor sich der Schrei in ein Stöhnen.
»So gar übel solltest du ihm nicht gesinnt sein«, neckte Malchatun die junge Freundin. »Dich nannte er einen Engel des Herrn.«
»Wird er nie wieder gescheit?« bekundete dagegen Perid eine etwas nüchterne Einstellung zur eigenen Person. »Und was hat er nur mit dem Fliegen und der gebogenen Klinge?«
Für Malchatun waren die Hintergründe von Michaels Fiebervisionen kein Geheimnis. Sie waren Gesichte, die er, wie sie wußte, ganz wirklich gehabt hatte.
Beim Ausbruch aus Inöni war sie fest entschlossen gewesen, mehr noch als ihr Leben ihre Freiheit zu verteidigen. Die nackte Klinge in der Faust war sie mit Osmans und Tschenderelis Männern hinter der feurigen Herde aus der Stadt gejagt, ohne daß in der allgemeinen Flucht der Belagerer ihr Leben oder ihre Freiheit bedroht worden wäre. Von den Hufen der Rinder und Pferde waren die Säumigen niedergetreten worden, und der säumigste von allen war wohl Köse Michael gewesen, der Rote.
Ein tiefer Schlaf mußte ihn verstrickt gehalten haben und ein tiefer Traum, aus dem er nun emporgetaumelt war, um in den Wahrtraum einer losgerissenen Hölle zu stürzen und eines Todesengels mit dem geschwungenen Schwert. Denn zwischen Traum und völligem Erwachen hatte ihn schon der Hornstoß getroffen. In die Luft und in Bewußtlosigkeit hatte der Stoß ihn gewirbelt.
Nun aber war bei Malchatuns Anblick über sein erwachendes Bewußtsein eine wirre Erinnerung gekommen, aus der er sich zu den weniger schrecklichen, vertrauteren Zügen der fröhlichen Perid hatte retten wollen.
»Daß er sich zu erinnern beginnt, gilt mir als gutes Zeichen«, sagte Malchatun zu ihrer Freundin. »Ihn erschreckt mein Gesicht. Es war das letzte, was er erblickte, als ihn das wütige Tier traf.«
Schämen solle sich der böse Mensch, war Perids Meinung, und recht geschehe ihm, wenn er sich jetzt fürchte. »O Malchatun!« rief sie und warf ihre Arme um der Älteren Nacken. »Nicht denken darf ich daran, wie es gewesen wäre, wenn sie dich . . .«
»Das wäre nie gewesen«, sagte Malchatun einfach. »Und nun ist es vorüber. Man hat nichts mehr von Manuel gehört.«
»Und wenn er zurückkehrt?«
»Wohin? Sein Eskischehr haben jetzt die Asanes. - Und nun möchtest du ins Freie?« lächelte Malchatun. »Du habest dem Kranken lange genug nasse Tücher aufgelegt, meinst du und kannst es hier kaum noch aushalten? Geh nur, Liebe.«
»Aber wenn er aufwacht und dich sieht?« versuchte Perid ihre gar zu große Freude zu verbergen.
»Er wird sich an mein Gesicht gewöhnen müssen«, war alles, was Malchatun erwiderte.
Und dann war sie mit Michael allein.
Fünfzehn Jahre war
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