Malchatun
angreifen«, rief Ghundus.
»Auf diese Weise stürben wir erst am nächsten Morgen«, sagte Kumral und begann das Totengebet.
Die ganze Zeit über hatte Malchatun immer wieder gedacht: >Das Vieh, die Rinder - welch eine Kraft, welch eine gewaltige, alles überwältigende Kraft !<
»Allah sei Preis!« lobte Ghundus. »Sie ziehen die Herden in die Gassen. Es gibt Luft. - Und Manuel scheint auch nicht angreifen zu wollen.«
Er entnahm das dem Umstand, daß der Gesang der Turkopolen aufgehört hatte. Diese gefürchteten Söldner wollten wohl ihre kostbaren Kehlen für den wirklichen Angriff des nächsten Tages schonen.
»Lob sei Allah, dem Weltenherrn, dem Erbarmer, dem Barmherzigen, dem König am Tage des Gerichtes!«
Kumral betete die Erste Sure.
»Bete um Sieg!« unterbrach ihn Malchatun. »Ein Schwert will ich. Was soll mir ein Dolch!«
»Kannst du denn fechten?« erstaunte Ghundus.
»Mein Vatersbruder und Lehrer, der Arzt, hielt Säbelfechten für eine treffliche Übung zur Vervollkommnung des Leibes. Mit meinem Vetter habe ich es üben müssen«, zwang sie sich zu ihrer eigenen Beruhigung eine formvolle Erklärung ab. »Wilde Tiere, denen ich nie etwas Böses tat, fordern meinen Leib und damit mein Leben«, brach es dann aber aus ihr hervor, »wenn jedoch dieser oder der kommende Tag der meines Todes sein sollte, so will ich der Hoffnung nicht entsagen, in diesem Fall wenigstens einen Schändlichen in die Hölle zu senden, in die ihn Allah - des bin ich sicher - verbannen wird! Kein Rechtgläubiger, der an Allah glaubt und an den Jüngsten Tag, würde sich so an einem Weibe vergehen wollen wie die Unmenschen da draußen.«
»Amin«, sagte Kumral.
»Malchatun«, stammelte Ghundus begeistert, »meine Schwester, meine höchstzuverehrende . . .«
Der Preß der Rinder lockerte sich. Immer mehr Tiere konnten nun auf Gassen und Höfe verteilt werden. Bald waren auf dem Platz nur noch so viele Tiere, daß sie die Verteidiger nicht mehr hinderten zueinanderzukommen.
Auch Malchatun und ihre Begleiter verließen jetzt das schützende Tor und begaben sich zum Burgherrn auf die Mauer, wo sich auch Osman befand.
Wenn es keine Kriegslist der Belagerer war, so hatten sie für die Nacht auf den Angriff verzichtet. Ein Kreis von Lagerfeuern umgab Inöni. Und an jedem der Feuer sah man die Leute beschäftigt, die fehlenden Sturmleitern herzustellen. Darum also der Aufschub!
»Es wird ein harter Tag werden - morgen . . .«, sagte der Tschendereli, ein vollbärtiger, ergrauender Mann.
Hinter sich, zu den Lichtem am Abhang der Höhlenberge hinüber, blickte Malchatun nicht. Man hatte ihr gesagt, daß dort Salmenikos stehe.
»Morgen?« fragte sie. »Warum morgen? Die Nacht ist dem Schwachen freund. Wenn ein Durchbruch über Bosojuk nach Sögüd gelingen soll - dann nur in dieser Nacht.«
Nicht ohne Ehrerbietung hatten die Männer ihr zugehört; aber selbst Osmans Gesicht drückte Zweifel aus.
»Wir würden unsern Gastfreund Isa Tschendereli von uns befreien«, zögerte er, »und das würde uns von Allah angerechnet werden.«
»Und mir zur Schmach!« rief der Burgherr. »Ich sende euch nicht in den Tod. Und wenn wir verderben werden wir gemeinsam in Allahs Paradies eingehen.«
»Euer Edlen übersehen«, gab ihm Malchatun zu bedenken, »daß wir über eine Kraft verfügen, die stärker ist als all unsere Arme.«
»Welche Kraft?«
»Die Herden der Rinder, die Sie dort unten sehen, Herr Isa.«
Als Malchatun dann aber ihren Plan erklärt hatte, nahm Kumral sein Schwert von der Hüfte.
»Ich tue dir Ehre an«, sagte er zu Osman, »wenn ich dein Geschenk der überlasse, die eine Waffe verlangt hat. - Gebrauche sie gut diese Nacht«, wandte er sich dann an Malchatun, »und denke immer daran: Wer zuerst zuschlägt, schlägt am besten. Es ist eine gute Klinge und scharf, ein Krummschwert, ein Sulfakar, wie Osman sie selbst führt, mit gewirbeltem Rücken und am breiten Ende mit zwei Spitzen zu Stoß und zum Riß. Hier ist sie. Nimm sie hin.«
Nicht nur Malchatun sah die Lagerfeuer vor Inöni. Bei Tagesanbruch werde er die Stadt angreifen, hatte Manuel an Salmenikos bestellen lassen.
Sich bereit zu halten war Salmenikos auch wirklich fest entschlossen - allerdings auf seine eigene Weise.
Die Burg Inöni lag über den Ort erhöht und lehnte sich dem Berg dort an, wo Salmenikos stand. Keinen Augenblick zweifelte er daran, daß Malchatun sich in diesem festesten Platz der ganzen Verteidigungsanlage, gerade in der Burg
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