Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Malchatun

Titel: Malchatun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
Vom Netzwerk:
schlecht gegangen, wahrscheinlich Ihnen. Denn zum Anspringen hätte ich Sie gar nicht erst kommen lassen, und die Kuh war auch so vernünftig, nicht erst lange zu warten . . .«
    »Welche Kuh?«
    »Die Sie aufs Horn nahm und in die Luft warf, diese Kuh! -Meinten Sie etwa, es sei ein Stier gewesen? Bilden Sie sich nur nichts ein. Ich habe es genau gesehen. Es war eine Kuh. Ohne jede Beschönigung: eine ganz gewöhnliche Kuh.«
    »Ich sah Sie, Kira . . .«
    »Natürlich sahen Sie mich. Vielleicht hab’ ich etwas sonderbar ausgesehen. Denken Sie, es sei für mich eine Kleinigkeit gewesen, nicht zu wissen, ob ich im nächsten Augenblick vielleicht gezwungen sein würde, einen Menschen umzubringen? Sie zum Beispiel.«
    »Nein, vorher bereits habe ich Sie gesehen«, überkam ihn eine Angst vor dem Wiedererkennen.
    Und nun beugte Malchatun sich vor und blickte dem Mann voll ins Gesicht.
    »Beim alten Kontophres in Eskischehr haben Sie mich gesehen«, sagte sie hart.
    »Allerheiligste Muttergottes, Panagia hodegetria!« stöhnte der Kranke mit aufgerissenen Augen.
    »Sie hatten an jenem Tag in Eskischehr zuviel Aufmerksamkeit für Aristides Kontophres und zuwenig für dessen Pflegetochter und Ärztin - jawohl, für mich, Kir Michael. Ich bin das Mädchen, das Manuel seine Leibeigene nannte, und Sie verbanden sich meinem Verfolger, um mich zu fangen, damit ich auf dem Markt von Eskischehr als eine Entlaufene fünfzig Peitschenhiebe erhalte. Mich zu fangen wäre Ihnen freilich nie gelungen, weil Sie mich nicht lebend bekommen hätten. Oder was hatten Sie sich gedacht, Archont? Wer sind Sie, was sind Sie? Oh, ich weiß, Sie sind ein Gagarin und rühmen sich Ihrer Verwandtschaft mit dem kaiserlichen Geschlecht der Paläologen in Byzanz. Aber sind Sie deswegen ein Edelmann? Nicht wegen Ihres elenden Turmes, der Ihr einziger Besitz ist, frage ich Sie so, sondern wegen Ihrer Taten. Kir Michael, kein rechtgläubiger Mann hätte sich je so weit erniedrigt . . .«
    »Marula - Kirina Marula . . .«, stöhnte der Kranke völlig fassungslos.
    »Nennen Sie mich nicht Marula und nicht Kirina!« unterbrach sie, und ihre Empörung verwarf mit den griechischen Lauten zugleich auch Salmenikos. »Nennen Sie mich Kamerije Malchatun. Kamerije nennt mich mein Vater - Malchatun nennen mich die Menschen, die mich lieben. Nichts von Kira und Kirina - eine Hanum bin ich, Ihre Hanum, Michael Tagaris, genannt Köse Michael, Michael Spitzbart.«
    »Bin ich Ihr Gefangener?«
    »Sie sind der Gefangene des Mädchens, das Sie mit vielen Toden und einer großen Schande bedrohten. Ihr Leben aber steht in der Hand des Erbarmers.«
    »Er möge mich sterben lassen!«
    »Haben Sie Angst, Kir Michael, ich könnte Sie das, was Sie mir zugedacht hatten, in aller Wirklichkeit erleiden lassen? Glauben Sie nur nicht, daß ich es als Edelmut erachte, einem Nichtswürdigen, der seinen Sieg reuelos ausgebeutet hätte, nur darum zu vergeben, weil er eine Niederlage erlitt. Mir schiene es besser, der edle Herr würde auf offenem Markt am eigenen Leibe Schande und Schmerz erleiden, denen er eine Frau, die ihm nie etwas zuleide getan hatte, leichten Herzens zu überantworten bereit war. Es gibt kräftige Arme in Seraidschik und Sögüd, die sich mit Freuden zu diesem Zwecke regen würden. - Haben Sie Söhne, Kir Michael, eine Tochter?«
    »Ana —!«
    »Sie haben eine Tochter«, stellte Malchatun fest. »Haben Sie nie an Ihre Tochter gedacht, nie daran, daß man ihr mit Gleichem hätte vergelten können? Ist Ihre Tochter so stark, um fünfzig Peitschenhiebe zu ertragen?«
    Was Malchatun sehen wollte, ersah sie. Dem Ergehen seiner Familie stand Michael keineswegs mit Gleichgültigkeit gegenüber.
    »Ich bin schuldig, ich allein«, stammelte er. »Was kann mein Kind, meine Ana . . .«
    »Nehmen Sie diese Medizin«, sagte Malchatun und schob ihre Hand unter seinen Hinterkopf. »Sie wird Ihre Schmerzen lindern.«
    »Lassen Sie mich sterben«, bat er. »Erst heilen, um dann um so grausamer zu vernichten - ist das gut?«
    »Vielleicht«, sagte sie hart.
    Um trösten zu können, litt sie selbst zu‘sehr.

16
    »Zeus«, rief Perid und scheuchte mit ihrem Fuß den Mächtigen aus der Beschaulichkeit seines Wiederkäuens.
    »Muh!« schnaubte der Stier, stemmte die Vorderbeine auf und kam hoch.
    Da lief sie ihm auch schon davon, und er trottete hinter ihr her. Er war mehr ein Gefolge als ein Verfolger. Als er aber zu einem Trab ansetzte, warf sie sich seitwärts ins Gras und lachte ihn

Weitere Kostenlose Bücher