Malchatun
dabeigewesen, ich hätte dich zum Schreien bringen lassen, mit angesehen hätte ich, wie dein Hochmut, dein Stolz, den ich hasse - nein, den ich liebe! Oh, Marula«, kam sie wieder zum Bewußtsein ihrer Lage, »hilf mir, Marula, und ich will dir alles sagen, was ich weiß, und ich weiß vieles! Marula . . .?« Sie warf sich auf die Knie und rang die Hände. Den Fehler, sie aufzuheben, beging Malchatun jedoch nicht.
»Sage, was du weißt.«
»Und du wirst mir helfen?«
»Sprich und vergiß nicht, daß ich Mittel habe, eine Widerstrebende zum Reden zu bringen.«
»Ich will ja, ich will ja! Alles will ich dir sagen«, schwor Daphne. Malchatun konnte der Versuchung nicht widerstehen. Sie beugte sich vor und blickte der Flehenden in die angstgeweiteten Augen. Eine Weile blieb sie so.
»Und du befürchtest nicht«, ließ sie dann Silbe für Silbe in die Kniende tropfen, »ich könnte, wenn ich erst alles erfahren habe, dir dennoch geschehen lassen, womit dein Gatte mich bedrohte, mir zum Schimpf auf dem Rasthügel von Kutschukjora?«
An den zum Schrei aufgerissenen Mund fuhren Daphnes Hände im ersten Erschrecken. Aber kein Laut kam. Statt dessen sanken die Hände wieder zurück, und der Mund verzog sich zu einem Grinsen, in dem Achtung und Verachtung sich seltsam mischten.
»Gar nichts fürchte ich«, sagte sie mit einem unsicheren Lachen.
»Du aber hättest in einem ähnlichen Fall mich betrogen?« beharrte Malchatun. »Gestehe es nur, meine Daphne, und lasse dich nicht auf einer Lüge ertappen. Eine Lüge von dir befreit dich nämlich von meinem Versprechen. Denn ich verspreche dir etwas.«
Daphne fühlte sich in eine Enge getrieben, aus der nach ihrem Vermeinen nur Frechheit sie retten könne.
»Natürlich hätte ich dich betrogen! Wie denn nicht? Zuerst hätte die Peitsche hinter deinen Geständnissen gestanden, und bekommen hättest du sie in jedem Fall. Mir aber wäre dein Geschrei versüßt worden, wenn ich dich vorher auf Gnade hätte hoffen lassen.«
»Um so mehr erstaune ich, daß du mir traust. Nenne mir den Grund. Ich möchte ihn wissen.«
»Weil du gar nicht anders kannst! Du bist eben ein Fisch«, lehnte Daphne jeden Willen zu Ordnung und Gesetzmäßigkeit ab. »Vielleicht macht es dich in dieser oder jener Sache stärker, daß du so bist. Aber ebenso gewiß ist es auch, daß es dich langweiliger macht als mich. Den Salmenikos hast du auch nicht halten können.«
»Nein«, sagte Malchatun, »den Salmenikos habe ich auch nicht halten können.«
»Mach dir nichts draus«, ergriff Daphne schnell die Gelegenheit zu einer Vertraulichkeit. »Bei euch an der Grenze sieht so einer nach wunder was aus; aber bei uns in Konstantinopel laufen diese Kavaliere zu Dutzenden herum. Man sieht kaum noch hin. Wenn ich du wäre . . .«, fuhr sie fort und blinzelte zu Malchatun hinauf, »einer wie dieser Osman müßte es sein! Ich weiß«, fiel sie, da sie eine Bewegung der Unnahbaren bemerkt hatte, rasch ein, »er ist dir widerwärtig und lästig, ja lächerlich. Aber du hast unrecht, Malchatun. Ich sage nichts gegen Salmenikos. Er macht eine gute Figur im Sattel, und ich zweifle nicht, daß er, wenn es je bei ihm soweit käme, ganz leidlich das Schwert zu handhaben wüßte. Bei ihm fehlt es an nichts. Alles ist glatt und geleckt. Osman aber! Mann und Gaul sind eins - eins ist sein Arm mit seiner Sulfakar. Und wenn er ruhig erscheinen will, spürst du am Zittern seiner Schnurrbartspitzen die innere Glut.«
Eine Wallung des Unwillens überlief Malchatun, und nichts verriet mehr den großen Abstand ihrer Gefühle für Salmenikos und für Osman als gerade dieser Zorn. Salmenikos könne wissen, was er zu tun oder nicht zu tun habe, dachte sie, aber der arme Osman sei ja so gut wie wehrlos gegen diese byzantinische Dirne, wie sie Daphne bei sich erbarmungslos nannte. Manuels Frau kenne offenbar jeden beachtlichen Mann zwischen der Ägäis und dem Pontus. Wenn Malchatun jedoch unter diesen Umständen auch tiefes Mitleid mit Ertoghruls Sohn zu empfinden glaubte, so hätte sie aus Gründen des Stolzes dennoch sagen müssen: >Nimm dir den Osman, Daphne, wenn er dir so gefällt.< - Aber das tat sie keineswegs. Sie fragte:
»Wer verriet dir, daß ich ihn verabscheue?«
»Salmenikos natürlich«, kam es so selbstverständlich von Daphne, daß es wie Wahrheit klang.
Auch Malchatun konnte sich diesem Eindruck nicht entziehen. Sie begreife Salmenikos nicht, meinte sie nur. Und damit war Daphne dessen gewiß, daß sie nicht
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