Malchatun
mehr ins Leere spreche.
»Da siehst du, wie man seine Worte hüten muß, wenn man nicht will, daß sie unter die Leute kommen«, eiferte sie. »Osman gehörte dir, und du wolltest ihn nicht . . .«
»Unsere Väter verboten die Heirat.«
»Sprich nicht so, Marula, ich bitte dich! Wenn er dir genehm gewesen wäre, hättest du dich wenig um Ertoghrul oder Edebali gekümmert.«
Malchatun errötete - weil die andere recht hatte, geschah es. Auch schreckte Malchatuns Stirnrunzeln Daphne durchaus nicht. Sie hatte ihre Gegnerin in ein Gespräch verwickelt, über das, wie sie hoffte, Malchatun allzu verfängliche Fragen vergessen würde.
»Du wolltest Osman nicht. Aber war das ein Grund, ihn zu schmähen?« gab sie, keck geworden, zu bedenken. »Bei jeder Gelegenheit bedecktest du den Namen deines abgeblitzten Liebhabers mit Spott und Gelächter.«
Ja - so könne es gewesen sein, dachte Malchatun, und was jeder Mann zu wissen glaube, sei auch Osman nicht verborgen geblieben. Wie habe er als Mann sich demnach anders als ablehnend gegen sie, Malchatun, verhalten können? Sie zur Rede zu stellen, sei er zu stolz gewesen. Und nun erinnerte sie sich auch der Zurückhaltung Konuralps und der anderen Gefährten Osmans. Zwar habe es keiner ihr gegenüber an Achtung fehlen lassen; aber die alte fröhliche Vertraulichkeit sei dahin. Gerade deswegen jedoch fiel es wie eine Bürde von ihr ab. - Nun sie die Ursache von allem sah, was sie bedrückt hatte, fühlte sie sich befreit. - Salmenikos - er habe es eher als sie selbst gewußt, was - ja - was sie Osman verbinde, und nach seiner Art habe er dann gehandelt. Wie hätte man Salmenikos nicht glauben können? Wisse man doch um ihre lange Bekanntschaft mit ihm, und liege es doch nahe, daß sie mit dem Asanes über Osman gesprochen habe. Aber sie war zu froh, um ihm ihre Liebe nachzutragen. Das sei vorüber, dachte sie. Jetzt könne sie handeln. Aber Daphne gegenüber wahrte sie dennoch das Gesicht.
»Das soll ich getan haben?« fragte sie.
»David weiß es auch. Keiner weiß es anders«, trumpfte Daphne zurück.
»Und wenn ich nun Konur befragte?«
Aber kein Zeichen der Furcht kam in Daphnes Gesicht.
»Ist es denn nicht wahr?« konnte sie nur staunen.
»Wenn es wahr wäre, hättest du mir keinen Dienst erwiesen«, sagte Malchatun, und dabei lächelte sie, um dann doch die Frage zu stellen, die Daphne so gefürchtet hatte: »Was hat Salmenikos vor gegen Osman ?«
»Salmenikos und Osman sind Freunde, denke ich?« bemühte sich Daphne vergeblich um eine Ahnungslosigkeit, die alles andere als echt war. Aber eine Drohung Malchatuns genügte, daß sie jeden weiteren Versuch, etwas zu verheimlichen, aufgab. - Als Daphne dann geendet hatte, erhob sich Malchatun.
»Dir wird nichts geschehen, wenn du die Wahrheit sagtest«, bestätigte sie ihr Versprechen.
»Oh, Marula . . .«, wollte Daphne mit der Danksagung beginnen, doch da hob Malchatun schon den Vorhang zum Zelt.
»Die Frau da drinnen«, bedeutete sie Konur und den andern, »ist keine Entführte. Sie ist eine Christin, und was ihr an Bösem widerfährt, ist mir getan.«
Freude war in ihr, als sie das sagte.
21
Lebhafter noch als sonst ging es in den Pässen des Gebirges zu. Trupps türkischer und turkmanischer Hirten durchzogen sie vom Westen zum Osten hin, und dazu kamen auch andere Männer: entlaufene Knechte aus Herrendienst, die auf Beute zu dienen begehrten. So war es im Paß Ermenibeli, so in dem von Kutschukjora und dem von Ermeniderbend - vor allem im Ermeniderbend; denn ihn durchritten Osmans Gefährten, mit denen der junge Kiaja der Grenze so erfolgreich gegen Ketel und Jenischehr gestreift hatte. Um den Räubern ihre Einbrüche in das Gebiet von Biledschik zu verleiden, war das geschehen, und nun kamen diese Osmanen von dem Fest, das ihnen Kir Salmenikos aus Dankbarkeit bei Tschakirbinari, bei Schmerlenbrunn, ausgerichtet hatte.
Aber mit ihnen, die sich so schöner Beute rühmen durften, ritten heute noch andere. Ein neues Unternehmen war angesagt, und so hatte sich, außer andern Türken und Turkmanen, fast der ganze Stamm um den erfolgreichen Osman geschart. Den Ertoghrulern war der künftige Kriegszug eine Sache des Herzens: Es ging gegen Karadschahissar.
Jetzt hörte man auf der Dorfstraße von Sindschirliköi, wo Manuels Reiter einst beinahe Malchatun gefangen hätten, nur noch ein dumpfes Summen. Das war alles, was von Lachen und Sang und Pauken und Klirren der Handtrommeln übriggeblieben war, vom
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