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Malchatun

Titel: Malchatun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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aus zu weit. Ich will mich im feindlichen Land und nicht bei Kutahie schlagen. Osman soll Karadschahissar vorerst noch in Ruhe lassen. Er kann sich, wie ich es dem Salmenikos versprochen habe, gegen die Leute von Köprihissar nützlich machen. Karadschahissar werde ich mit ihm zusammen belagern. Das ist der Vorwand. Hochverräterische Untertanen bestrafen ist nicht Krieg gegen Byzanz. Aber an der Grenze stehe ich dann, und das werden die Byzantiner merken - falls sie kommen.« Schermugan kreuzte die Arme über der Brust. »Hören ist Gehorchen«, sagte er, und der Fürst hatte Ursache, auf eine so unbedingte Zustimmung seines Wesirs stolz zu sein.
    »Aber wie nun, wenn sich Osman als unzuverlässig erwiese?« fragte Alaeddin, um nichts ungeprüft zu lassen.
    »Die Ertoghruler waren immer treu.«
    »Mag sein. Doch nichts ist unwandelbar.«
    »Dann?« - Schermugan lächelte seinen Prinzen an. »Für diesen Fall hätten wir Salmenikos-«

20
    Die Zeit lag noch gar nicht so lange zurück, in der es Malchatun nicht zu fassen vermocht hätte, daß die Vorstellung von einem
    Salmenikos, wie sie damals in ihr gelebt hatte, jemals an Leuchtkraft der Farben und Klänge würde verlieren können. Auch wenn er fern gewesen war, hatte sie in Freundschaft, in Liebe und Zorn Zwiegespräche mit dieser Vorstellung von ihm gepflogen, und aus deren Gesten und Lauten - gerade aus denen, die nur seine waren und keines anderen sein konnten - war ihr Antwort gekommen. Mit verschlossenen Augen und Ohren hatte sie ihn leibhaftig gesehen und gehört, und nun vergingen oft Tage, bis sie plötzlich mit einem Erstaunen jenseits von Freude und Trauer dessen inne wurde, daß sie seiner mit keinem Gedanken gedacht habe.
    Ihr schien es, als sei Salmenikos einfach aus ihr hinausgegangen und habe nur schattenhafte Umrisse von sich hinterlassen. Mit einem Schatten konnte Malchatun nicht reden. Sie wußte wohl um ganz bestimmte Konsonanten, die Salmenikos bevorzugte, und um diesen oder jenen Vokal, den er zu dehnen oder zu kürzen pflegte doch dieses Wissen ergab kein Sprechen mehr, es war etwas Totes, aus dem das Einmalige, aus dem das Leben entschwunden war.
    Was sie jedoch erstaunte und mißtrauisch gegen sich selbst machte, war die Schnelligkeit, mit der sich scheinbar diese Wandlung vollzogen hatte, woraus sie schloß, daß Salmenikos nur darum zum Schatten habe werden können, weil ihn ein anderes, Lebendigeres verdrängt habe, und um dieses anderen willen empfand sie eine größere Beunruhigung als je zuvor. Nie konnte sie ihre Gedanken zu Ende denken, immer kam ihr die Erinnerung an den abschiednehmenden Osman dazwischen. Als naturwidrig und gefährlich erschien ihr nachträglich die Fassungslosigkeit vor einem Niewiedersehen, als etwas Ungehöriges jene Panik - und zuletzt blieb ihr von allem nur noch die Scham.
    Das Band zu Salmenikos hatte ebenfalls die Beschämung geknüpft, die sie an jener Altwasserbucht des Pursuk vor dem spielerischen Manne empfunden hatte. Doch keinen Augenblick hatte sie daran zu zweifeln brauchen, daß Salmenikos ihre Gefühle erwidert habe. Es war seine Neigung gewesen, an der sich ihre entzündet hatte, und im Grunde war sie der des Salmenikos auch heute noch sicher. Osman gegenüber empfand sie die gleiche Überzeugung keineswegs, und dieser Zweifel ließ sie die Erinnerung an ihre letzte Begegnung mit ihm fürchten.
    Die Gedanken aber kommen, wenn sie wollen und wann sie wollen, und fragen nicht.
    Am unbarmherzigsten waren sie gegen Malchatun an jenem Tage kurz nach dem unglücklichen Gefecht im Ermenibeli und nach der Befreiung der Koladschaner. Nicht von Osman selbst war deren Abzug geleitet worden, den letzten Teil des Weges hatten die Flüchtigen sogar ohne jede Bedeckung zurücklegen müssen, und auf diese Weise brachten sie mit ihren Packtieren und ihrem Hausrat auch die Nachricht vom Kampftod eines Ertoghrulsohnes nach Seraidschik. Ghundus nein -Ghundus habe man noch am Vorabend gesehen - der Tote sei ein anderer.
    Aus einem Planwagen kam dieses Gespräch auf Malchatun zugekrochen. Und plötzlich wollten ihre Füße sie ins Haus tragen. Ihr war, als sei sie Witwe geworden und müsse sich nun verbergen.
    Nur noch im Traum und in ihre Trauer gehüllt, wandte sie sich wieder den Bedürftigen zu, um ihrer Pflicht an dem kranken Weibe zu genügen, zu dem sie gerufen worden war - um Kinder zu versorgen und Männer und Frauen.
    Osman.
    Und Salmenikos?
    Sie wußte um Männer, die mehr als eine Frau hatten und jeder

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