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Malefizkrott

Malefizkrott

Titel: Malefizkrott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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verfolgten. Und vielleicht hätte er in meinem Hirn die Spur neu aktiviert und vertieft, die der Helfer ohne Gesicht vor einer Woche angelegt hatte. Womöglich hätte ich ihn an irgendeiner Kleinigkeit wiedererkannt, die mein Hippocampus ohne Zutun meines Bewusstseins in einer nächtlichen Traumsequenz, an die ich mich nicht erinnerte, gespeichert hatte. Irgendeine Eigenheit musste er haben, denn ich hatte vorhin schon an ihn gedacht, als sich in meinem Augenwinkel etwas ereignete, was ich erst später einordnen konnte.
    Was nun? Eigentlich war ich auf dem Weg zu Böhm gewesen, Stuttgarts Traditions-Feinkostgeschäft, um für Sally zum Geburtstag Schokolade zu kaufen. Dazu gab es keine Alternative, denn Sallys Geburtstag war heute, und mit Cipión musste ich vorher auch noch raus. Ich rannte über den Schlossplatz.
    Es hatte auch sonst niemand etwas gesehen, wie ich den Abendnachrichten Viertel vor acht in unserem Dritten entnahm, während ich Sallys Schokoladetafeln in Geschenkpapier wickelte. Die Polizei suchte Zeugen, vor allem mich. »Eine Person Anfang dreißig …« Das Alter war geschmeichelt. Auch hatten sie sich nicht schlüssig werden können, ob ich nun Mann oder Frau war.
    Aber spätestens wenn man die Überwachungskameras von Walfisch auswertete, würde KHK Christoph Weininger, der in jeder Soko mitwurstelte, die Kollegen ins Bild setzen.
    Verwunderlicher war, dass die Polizei bis zu der Minute, in der BW-Aktuell begann, nicht zu wissen schien, wer der Tote war. Entweder Durs Ursprung hatte keine Papiere dabeigehabt oder den Beamten des ersten Angriffs und dem Pressesprecher war nicht klar geworden, dass der Buchhändler überregionales Ansehen genoss, und man hatte den Namen nicht in die Pressemitteilung gesetzt. Jedenfalls fiel er im Fernsehbericht nicht. Da war nur die Rede von einem Mann, der zuvor bei Walfisch eine Diskussion mit einer Verkäuferin begonnen habe. Man sah Polizeiautos und rotweiße Trassierbänder, den blauen Schriftzug Walfisch und den Brezelkiosk mit der Dicken hinter dem Korb. Von den Schaulustigen zeigte man aus rechtlichen Gründen nur die Rücken und Hinterköpfe. Aber die Polizei hatte sie sicherlich aus dem Laden heraus fotografiert, öfter als man dachte, reihten sich Täter unter die Gaffer, um zu schauen, ob ihre Operation gelungen war. Vor allem Brandstifter.
    Kurz kam mir der Verdacht, dass die Redaktion nicht begriffen haben mochte, wer Ursprung war, aber ich verwarf ihn. Zwar überschätzte man das Interesse von Bildmedien an Buchhändlern, und ich selbst hatte bis vor einer Woche nicht gewusst, dass es eine solche Berühmtheit wie Durs Ursprung bei uns in der Stadt gab, aber erst am Samstag waren die Zeitungen voller Nachrufe auf seinen Laden gewesen. Nicht das Schicksal des Buchhändlers Durs Ursprung war jedenfalls an diesem Abend der Aufreger, sondern der Umstand, dass an einem sonnigen Nachmittag ein unbekannter Killer auf der belebten Königstraße aus den Passanten heraus in einem Ladenge schäft einen Mann erschoss. So was kam in Stuttgart sel ten bis nie vor.
    Ich rief Rudolf Wagenburg an, der zum Glück für ihn persönlich Spätdienst hatte, und informierte ihn über die Identität des Opfers. Außerdem schickte ich Christoph Weininger per Mail ein kurzes Gedächtnisprotokoll der Ereignisse – was der Soko den Druck nehmen würde, mich zu nachtschlafender Zeit zur Vernehmung abzuholen – und begab mich auf Sallys Geburtstagsparty, die im trauten Kreis in ihrer Wohnung in der Urbanstraße stattfand, zu Fuß keine zehn Minuten von mir, wenn auch zum Schluss achtzig Stufen bis unters Dach zu bewältigen waren.
    Während Cipión sich mit den drei Katzen und Sallys altersschwacher Schäferhündin amüsierte, kreiste die Unterhaltung um Diäten. Fast alle hatten Sally Dinge mitgebracht, die nicht dick machten, ein Buch über Akupunktur, einen Satz Tarotkarten, Badeseife in Form von Törtchen, eine Schale mit Gummibärchenmuster, eine antiquarische Ausgabe von Hanni und Nanni , über die Sally nostalgisch wurde, und so weiter. Nur mir war wieder mal entgangen, dass man einer Frau, die vierzig geworden war und immer noch über ihren Rundungen verzweifelte, keinen Stapel noch so feinköstlerischer Schokolade überreichte. Ich tickte einfach falsch. Anders als Melanie hatte ich meine ersten feuchten Träume auch nicht mit Vom Winde verweht gehabt; statt mit Struwwelpeter und Suppenkasper hatte meine Mutter mich mit der Bibel und Höllenstrafen zur Akzeptanz von

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