Malefizkrott
alten Porsche auf dem Seitenstreifen zum Stehen. Wind zauste das Gras. Der Verkehr donnerte an uns vorbei.
Das Mädchen neben mir atmete schwer. Dann hob sie mit Ruck das Kinn, blickte mich unter halb gesenkten Lidern hervor an und lächelte lauernd. »Fresh, ’ne Geis terfahrt, die wollt ich immer schon mal machen.«
Sie hatte Nerven wie Büffeldärme, das gefiel mir. Aber die Änderung der Taktik würde ihr nichts nützen. Sie hatte die Kontrolle über mich schon verloren. Die Augen auf den Außenspiegel gerichtet, die Hand am Blinker lauerte ich auf eine Lücke im von hinten heranrollenden Verkehr.
Lola atmete.
Brontë tuckerte.
Endlich die Lücke, alles frei. Ich machte die Warnblinkanlage aus und setzte den Blinker – so viel Zeit muss sein – riss den Lenker bis zum Anschlag nach links und trat das Gaspedal durch. Lola schrie.
Brontë sprang vom Seitenstreifen, schleuderte quietschend 180 Grad und warf sich vorwärts. In der Flucht der Fahrbahn erschienen die ersten Fahrzeuge. Lola schlug die Hände vors Gesicht.
»Los, Brontë! Fahr!« Sie musste schneller sein als die, die uns entgegenkamen, nur dann würden wir es schaffen. Ich umklammerte den Lenker und flehte: »Bitte, Charlotte! Gib dir Mühe!« Als hätte ich die Zauberformel gefunden, beschleunigte sie noch einen Tick, mit welchen Reserven auch immer. Lichthupen flammten auf. Schon sah ich die entsetzten Gesichter hinter den Windschutzscheiben des gegen uns rollenden Verkehrs. Die Fahrzeuge auf ihrer linken – meiner – Spur schleuderten nach rechts.
Doch da hatten wir die Baulücke in den Mittelleitplanken erreicht, huschten hinüber und waren außer Sicht. Die Hupen dopplerten links an uns vorbei. Iuuuu!
Ich fing Brontë hinter einem Fiat ab und lenkte sie in die Abfahrt zu den Baggerseen. »Du kannst die Augen wieder aufmachen, Lola.«
Immerhin hatte Brontë mir bei der Gelegenheit ihren Vornamen offenbart. Ich hatte es, fiel mir ein, wie Kara Ben Nemsi gemacht – dem galoppierenden Hengst die Hand zwischen die Ohren legen und den Namen rufen: Charlotte! So hieß die älteste der drei schreibenden Bron të-Töchter. Und sie hatte das Letzte aus ihrem Motor herausgeholt. Ich streichelte das schmale hölzerne Lenkrad: Gut gemacht, Charlotte!
Friedlich schnurpelten wir eine sonnige Straße zum See hinunter. Aber nun musste ich auf dem nächstbesten Parkplatz halten, um meinen eigenen Schock sich entfalten zu lassen. Mein Herz pumpte.
Lola hatte die Hände sinken lassen und schaute sich um wie ein Neugeborenes. Die Abendsonne lag auf dem bewaldeten Hang zur Schnellstraße. Der Himmel stand blau. Sonnensatte Menschen mit Badesachen in kurzen Hosen und Schlappen zogen den Weg entlang zu ihren Autos. Das Leben konnte so einfach sein.
Ich stieg aus und zündete mir eine Zigarette an. Die Flamme wackelte, die Zigarette zitterte, meine Knie bebten.
Auch Lola kämpfte sich aus dem Auto und wankte herbei. Wir schauten uns in die Augen wie zweie, die nach einer Riesendummheit gerade noch mal so davon gekommen waren.
Eine Idee stahl sich in ihren Sinn. »Und wenn ich das meinem Vater erzähle?«
Ich zuckte mit den Achseln. »Dann beendet er das geschäftliche Verhältnis mit mir. Dir kann’s nur recht sein. Sonst musste ich ihm erzählen, was du und Nino angestellt habt. Also sag brav: Danke schön. Und dann verschwinde.«
»Wie?«
»Von hier schaffst du es ja alleine nach Tübingen.« Ich deutete auf den Parkplatz der Badegäste.
»Das können Sie nicht machen! Wie komme ich denn nach Stuttgart zurück. Mitten in der Nacht. Ich bin min derjährig. Mein Vater verlässt sich auf Sie.«
»Das Vertrauen deines Vaters geht mir soooo weit am Arsch vorbei, Lola.«
»Ich habe mich ebenfalls auf Sie verlassen. Ist Ihnen das auch egal?«
Ich schwieg.
»Was wollen Sie? … Okay, okay. Aber ich kann nun mal keinen Kumpel verpfeifen. So was mache ich grundsätzlich nicht.«
»Dann hat Nino also den Brand gelegt?«
»No comment!«
»So geht das Spiel nicht, Lola. Bei dem Brand ist ein Mensch schwer verletzt worden. So ein Oberschenkelhalsbruch ist nicht nichts. Der hat noch monatelang viel Freude damit, Krücken, Schmerzen, Physiotherapie, nach einem Jahr müssen die Schrauben und Platten raus, das ist noch mal eine Operation. Dafür muss der Brandstifter die Verantwortung übernehmen.«
»Aber ich war es nicht!«
»Und Nino?«
»Dazu kann ich nichts sagen. Aber … ich meine … wie soll er es denn gemacht haben? Er war doch die gan ze Zeit
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