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Malefizkrott

Malefizkrott

Titel: Malefizkrott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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Kopfhörer.
    Sie küsste mich zur Begrüßung links, rechts, links und bedachte Brontë mit einem: »Ohaaa, fresh!«
    Ich hielt ihr gentlemanlike die Beifahrertür auf. Sie kokettierte ein »Danke!« und ließ sich ins Auto plump sen. Brontë knickte in die Achsen und ächzte.
    »Wo müssen wir hin?«, fragte ich.
    »Zu einem Buchladen in Tübingen.«
    »Mein Navi hätte es gern etwas genauer.«
    »Hat mein Vater Ihnen … äh … dir …«, sie blinzelte mich ziemlich keck an, »… das nicht gesagt? Aber warte, irgendwo habe ich mir das notiert. Ich hab’s noch nicht so im Griff. Moment!« Sie begann in ihrer Postman-Tasche zu kramen. »Na bitte, geht doch!« Sie kniff die Augen zusammen. »Was soll das heißen? Ich kann meine eigene Schrift wieder mal nicht lesen. Das passiert mir ständig. Ich habe eine Sauklaue.«
    Teenies und ihre Selbstdefinitionen. Oder war es nur ein Spiel? Das Verpeilte und Verschlampte als Zugeständnis an mich, damit ich ihr Zählalter von siebzehn akzeptierte und sie schonte oder unterschätzte?
    »Thal… Thalia … Nein, kannst du das lesen … ich meine, können Sie das lesen?« Sie reichte mir den Zettel.
    »Thalestris!« Der kam direkt aus der Erinnerung an meine Amazone-Zeiten. Damals zählten wir die Frauenbuchläden in Baden-Württemberg und kamen auf zwei. Einer war inzwischen eingegangen. »Thalestris ist die letzte bekannte Amazonenkönigin.«
    »Ohaaa! Du bist … äh … Sie sind ja noch übler als mein Vater! Der weiß auch alles.«
    »Ich betrachte es als Beleidigung, mit einem Vater – egal welcher Art – verglichen zu werden.«
    Lola lachte. »Gefällt mir, deine Perfo.«
    »Was?«
    »Performance.«
    »Hm.« Ich war etwas abgelenkt, denn ich suchte in meinem Smartphone nach der Adresse von Thalestris, um sie dem Navi mitzuteilen.
    »Ich habe eine Klassenkameradin, die ist auch so drauf wie du. Viele haten sie, aber ich find’s gut, was sie macht. Sie hat sich voll viel überlegt.«
    »Wie?« Burggasse gab es nicht in meinem Navi. Jedenfalls nicht in Tübingen. Rätsel!
    »Über Gender und so.«
    »Was bitte heißt haten ?«
    »Hassen, to hate , Sie können doch wohl Englisch!«
    »Könntest du mal kurz deine Gosche halten, ja? Ich muss mich hier konzentrieren.«
    »So? Nicht multitaskingfähig? Also, ich kann gleichzeitig zuhören, reden und was tippen. Frauen sind im Allgemeinen multitaskingfähig. Oh, sorry, wollte nicht ins Fettnäpfchen elefanten. Sie sind gar keine Frau, korrekt? Sie leben im falschen Körper. Bei meiner Klassenkameradin ist das auch …«
    »Klappe, cono !«
    Ich hatte inzwischen genauer gelesen und festgestellt, dass sich der Laden nicht in der Burggasse, sondern in der Bursagasse befand; was dem Navi gleich viel besser gefiel.
    »Das war Spanisch?«
    »Und heißt Fotze!«
    »Ohaaa! Muss ich mir merken!«
    Ich startete Brontë, ließ sie aus dem Viertel entspannten Reichtums rollen und versuchte mir die Tonlage von Lolas Ohaaa zu merken. Je nachdem, wie man das »aaa« quetschte, fallen oder ansteigen ließ, konnte es Zustimmung, Betroffenheit oder Begeisterung ausdrücken. Das würde ich niemals mehr lernen.
    »Wir sind viel zu früh dran«, bemerkte Lola.
    »Ich möchte mir den Laden vorher noch angucken«, antwortete ich. »Und eventuell ein paar Vorsichtsmaßnahmen ergreifen.«
    »Gefällt mir.« Sie kuschelte sich in Brontës magere Rückenlehne. »Du nimmst alles total ernst.«
    »Immerhin ist gestern Durs Ursprung erschossen worden.«
    »Wer?«
    »Der Buchhändler, wo du gelesen hast. Hast du keine Nachrichten gehört? Zeitung gelesen? Die liegen doch bei euch zuhauf herum.«
    »Interessiert mich nicht. Nachrichten sind überflüssig. Sie ziehen einen nur runter. Katastrophen und Anschläge, Tote, Tote, Tote. Früher hat man auch keine Nachrichten gehabt, und niemand hat’s vermisst.«
    »Die Almöhis vielleicht nicht, aber alle andern schon. Sonst würde es heute nicht auf allen Kanälen Nachrichten geben, sondern Bibellesungen.«
    Auf der Möhringer Landstraße gab es den ersten Stau. Fünf Uhr war eine schlechte Zeit, wenn man durch die Vororte wollte.
    » Heidi war mal mein Lieblingsbuch«, erklärte Lola. »Ich finde es total wichtig, mit der Natur im Einklang zu leben.«
    »Aber nicht ohne Bibellesungen!«
    Sie taxierte mich von der Seite. »Halt dem Feind die rechte Wange hin, oder war’s die linke. Meinen Sie das? Nächstenliebe und so? Moral ist allgemeingültig, dazu braucht man keine Bergpredigt. Was du nicht willst, dass

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