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Malefizkrott

Malefizkrott

Titel: Malefizkrott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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verhuscht und ho möopathiegläubig, andere mit dem Leuchten von Kenntnis und Kultur als Mission in den Augen. Sie beherrschen die Registrierkasse und gehen zugrunde mit der Idee, eine gute Buchhandlung zu haben – mit der Idee!
    »Ich bin Manu«, stellte sich uns die Frau mit von Grau fast erobertem dickem Schwarzhaar vor und reichte zuerst Lola die Hand, dann mir. »Manuela Kantor.«
    »Ach!« Da war er ja, der Name, den mir Durs Ur sprung genannt hatte und der mir entfallen war, weil gleich darauf jemand auf ihn geschossen hatte. Aber das war jetzt wieder eine andere Baustelle. »Freut mich«, sagte ich.
    Zwischen Manuela Kantors dunklen Augen standen dunkle Wolken, die sie offenbar nicht so schnell vertrei ben konnte. Die Zeitung auf dem Rauchertisch offenbarte mir den Grund. Sie war auf der Seite aufgeschlagen, wo sich der Nachruf auf Durs Ursprung befand. »Das Buch als Waffe.« Auf dem Foto lächelte er unergründlich.
    »Sie kannten ihn?«, fragte ich.
    »Ich kann es noch gar nicht begreifen. Wer macht so was? Durs Ursprung war eine Instanz. Er hat Bücher nicht als Waren verkauft. Wenn Sie seinen Laden gesehen haben, dann wissen Sie, was ich meine. Ich habe fünf Jahre bei ihm gearbeitet. Eigentlich bin ich Buchbinde rin. Aber man wollte was tun, was bewegen, und ich dachte damals, bei Ursprung könne man was bewirken. Aufklären! Das war ein Irrtum, aber ich habe arbeiten gelernt bei ihm. Er war ein elender Ausbeuter, das muss man schon so sagen. Unbezahlte Überstunden, das hielt er für selbstverständlich im Sinne der guten Sache. Aber er hat auch sich selbst ausgebeutet. Das weiß ich, seit ich meinen eigenen Laden habe. Das tun wir alle, wenn wir überleben wollen. Von dem Monatsgehalt, das die Verkäuferinnen bei Walfisch bekommen, kann ich nur träumen.«
    Sie musterte kurz die junge Autorin, die ihre bürgerli che Scham hinter Haaren und Schminke zu verstecken versuchte.
    »Aber wir sind immer befreundet gewesen. Ich weiß noch, wie ich mich mit Durs über Elfriede Jelinek gestritten habe. Und ich bin stolz darauf, dass der alte Knatterkopf schließlich eingesehen hat, dass ihr Roman Lust nicht vulgär ist und nichts mit Pornografie zu tun hat, sondern eben gerade aufzeigt, wie eine pornografisierte Gesellschaft Sex zur Gewaltangelegenheit macht. Dass sie den Nobelpreis bekommen hat, hat ihn natürlich misstrauisch gemacht. Aber ich habe nie wieder einen Mann kennengelernt, der wie Durs dem Fremden, das er nicht versteht, Respekt zollen kann. ›Ich habe eine Jelinek für dich‹, hat er gesagt, als er vor einigen Wochen bei mir anrief, um mir …«, sie blickte wieder zu Lola hinüber, »um mir Sie, Frau Schrader, für eine Lesung ans Herz zu legen.«
    Lola machte das Gesicht einer Gymnasiastin, die befürchtete, dass es Punktabzug geben würde, wenn sie zugab, dass sie Elfriede Jelinek nicht kannte. Manuela Kantor wiederum schien sich nicht sicher, ob sie Durs Ursprungs Urteil wirklich teilte. Zwei inkompatible Frauen taxierten sich.
    Lola legte rasch Trauerflor auf und sagte artig: »Ja, das ist furchtbar mit dem Ursprung. Ich fand ihn sympathisch. Er war der Erste, der mich eingeladen hat. Das werde ich ihm nie vergessen. Er … er hat sich voll nobel verhalten.«
    Manu lächelte fein. »Da können Sie sich was drauf einbilden. Durs hat schon Morddrohungen bekommen, weil er einen Autor nicht als Gast behandelt hatte.«
    »Von wem?«, schoss es aus mir heraus.
    »Oh, das ist lange her.« Manu wischte sich eine graue Strähne aus der gefurchten Stirn und schaute mich von oben bis unten an. »Und ich hoffe sehr, Sie empfinden es nicht ebenfalls als ungastlich, was es natürlich ist, aber ich furchte, Sie können heute Abend nicht an der Veranstaltung teilnehmen.«
    »Was? Wieso?«, fuhr Lola an meiner Stelle auf. »Wa rum denn nicht.«
    »In einen Frauenbuchladen dürfen nur Frauen rein«, erklärte ich ihr. »Alte Lila-Feminismus-Tradition.«
    Lola reagierte wie alle. Da gab es keine Alternative. »Das ist doch bescheuert!«, rief sie. »Ich habe keine Angst vor Männern!«
    »Wir auch nicht«, antwortete Manu geduldig. »Und es stimmt auch nicht, dass wir einem Burschenschaftler, der beim Stocherkahnrennen ins Wasser gefallen war, verboten haben, sich hier umzuziehen. Und wir haben auch nicht, wie immer wieder behauptet wird, einen Jungen rausgeschickt, der mit seiner Mutter einkaufen war. Es ist nur so, dass die Frauen auch Gesprächsräume möchten, in denen sie ungestört unter sich sein

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