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Malefizkrott

Malefizkrott

Titel: Malefizkrott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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können. Ich hoffe, Sie haben kein Problem damit.«
    »Nur Frauen?« Lola zog die Brauen unter den Pony.
    »Haben Sie Angst vor Frauen?«, fragte Manu.
    »Nee, natürlich nicht. Warum sollte ich Angst haben?«
    Ja, warum?Warum haben wir alle miteinander vor dreißig fremden Frauen Angst, nicht aber vor dreißig Männern? Vor allem wir Frauen! Weil wir nicht richtig angezogen sind. Keinem Männerauge fällt jemals auf, dass der Rock zum Sechshundert-Euro-Jäckchen von H&M ist und der Saum mit dem falschen Garn vorhin noch angenäht werden musste oder das Bettelarmbändchen aus dem Otto-Katalog stammt. Oder dass Lolas schwarze Jeans fabrikneu ist, was das Drama des Nachmittags verrät: Was zieh ich an? Wohlfühlausgehjeans zu eng geworden, Panik, losradeln, im Shop von Vaihingen was Schwarzes kaufen, lange Jacke darüber, damit man nicht sieht, dass der Bund eigentlich zu weit ist. Doch alle Frauen sehen es und fühlen sich überlegen. Sexy kleidet eine Frau sich für Männer, aber gut, um bei den (Ehe-)Frauen zu bestehen.
    »Übrigens«, ich lenkte Lolas Blick auf die Burse am Ende der Gasse, »die meisten Burschenschaften lassen bis heute keine Frau auf den Paukboden.«
    »Auf den was bitte?«
    »In den Saal, wo die Mensuren stattfinden.« Ich strich mir durchs Gesicht, lockerte den Krawattenknoten und machte den obersten Knopf auf. »Da wo die Anwälte und Gynäkologen ihre schicken Schmisse herkriegen.«
    Lola riss die Augen auf. »Aber du bist doch gar kein Anwalt!«
    Manu schlitzte die Augen. »Und Sie sind … auch kein …«
    »Nerz ist mein Name, Schwabenreporterin Lisa Nerz.«
    Der Laden war längs zweigeteilt durch freigelegte Fachwerkbalken, die frau weiß angestrichen hatte. Von der Ladentür schaute man direkt auf Tisch und Stuhl der Besitzerin. Der Bereich auf der anderen Seite der Bal ken war nicht einsehbar. Dort stand ein grüner Korbses sel neben einem Kaffeeautomaten für die Lesende bereit.
    »Brauchen Sie sonst noch etwas?«, fragte Manu. »Ei ne Leselampe?«
    Lola schüttelte den Kopf.
    Acht Stühle in drei Reihen passten gerade so hinein. Wenn ich noch hätte annehmen müssen, dass Lola von einem Unbekannten bedroht wurde, schien mir der Raum kontrollierbar. Von der Tür aus konnte jedenfalls niemand auf Lola schießen.
    »Ob ich wohl einen Kaffee bekommen könnte?«, erkundigte ich mich.
    »Aber selbstverständlich.«
    Lola lehnte ab und begann die Bücher in den Regalen zu besichtigen.
    Ich ging raus, um zum Kaffee eine Zigarette zu rauchen. Manu folgte mir, und so konnte ich sie doch noch fragen, ob ich morgen oder übermorgen mit einem alten Buch wiederkommen dürfe, damit sie es sich mal anschaue. »Ursprung hat mir Ihren Namen genannt, übrigens kurz bevor er starb. Er meinte, Sie hätten einen sechsten Sinn für das Materielle von Büchern.«
    Manuela Kantor lachte selbstentwertend. »Ich habe nur Buchbinderei gelernt, davon hat er nichts verstanden, er hatte seine Lehre abgebrochen.«
    Ich überlegte, wie alt sie war. Schon Richards Generation oder noch meine? Eher dazwischen.
    »Ich habe in einem ganz kleinen Betrieb gelernt. Noch richtig das alte Handwerk. Heute lernt man vermutlich hauptsächlich diese riesigen Buchstraßen bedienen und überwachen. Da geht alles in einem: Druck, Leimung und Einband, und hinten kommt das fertige Buch raus.«
    »Ich habe erst vor ein paar Tagen nach Buchbinderei en gesucht«, plauderte ich. »Nach so einem kleinen Meisterbetrieb, wo es vielleicht noch einen Großvater gibt, der mir was zu diesem Buch sagen könnte.«
    »Den Laden, wo ich gelernt habe, gibt es jedenfalls nicht mehr. Schon lange nicht mehr, Buchbinderei Küfer in der Burgsteige.«
    »Ohaaa!«, entfuhr es mir, und vielleicht traf ich sogar den richtigen Ton sprachloser Anerkennung. »Kennen Sie eine Marie Küfer?«
    »Die Enkelin vom alten Meister Küfer? Nicht wirklich. Ich habe sie nur einige wenige Male gesehen, wenn sie ihren Großvater in der Buchbinderei besuchen kam. Ich erinnere mich noch, wie unglaublich elegant und erwachsen sie mir vorkam. Dabei war sie nur fünf Jahre älter als ich … das heißt, sie ist es immer noch, nehme ich an …«
    »Dann wissen Sie nicht, was aus ihr geworden ist?«
    »Sie hat ihr Studium in den USA fortgesetzt. Ich glau be aber, nicht freiwillig. Ich erinnere mich noch dunkel, dass es irgendein Gerede gab. Das war damals die Zeit der Studentenrevolten. Benno Ohnesorg war erschossen worden. Kaufhäuser brannten. Da haben die Küfers ihre Tochter wohl

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