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Malefizkrott

Malefizkrott

Titel: Malefizkrott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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aus gewissen linken Kreisen herausnehmen wollen. Der Vater war irgendein hoher Beamter, ich glaube Oberpostdirektor, außerdem wohl im Stadtrat. Genau weiß ich das nicht mehr. Warum fragen Sie?«
    »Es hängt mit dem Buch zusammen, das ich Ihnen zeigen möchte. Ich glaube, es stammt aus der Buchbinde rei Küfer.«
    »Ah so? Na, das wird sich leicht feststellen lassen.«
    »Woran? Gibt es Buchbinderzeichen?«
    Manu lachte. »Nein, aber man kann einige Kleinigkei ten so oder so machen, beispielsweise wie man das Papier um den Buchdeckel schlägt, wie weit und so weiter. Und Küfer pflegte eine besonders altmodische Art der Hef tung. Ja, zeigen Sie mir das Buch mal. Ich bin gespannt.«
    Es waren ganze sieben Frauen, die schließlich eintrudelten. Zwei Lesben in Ringelshirts und Cargohosen, eine mit Trekkingsandalen, die andere in Turnschuhen, eine Dicke mit Vielleserinnenbrille, zwei Frauen mit halblangen grauen Haaren in Naturtextilien, eine sehr hagere Lesbe mit breiten Gelenken und Männerhaarschnitt in Lederhosen und Lederweste, die in mir eine unstillbare Lust auf eine laue Nacht am Baggersee von Kirchentellinsfurt weckte, und eine Frau mit großer Umhängetasche und Straßenkleidung, die aus einem anderen sozialen Netzwerk kam.
    »Männer müssen draußen bleiben!«, informierte mich die Frau mit Trekkingsandalen ruhig, aber unhöflich.
    »Das ist schon okay!«, raunte ihr Manuela Kantor in den Kragen.
    »Keine Sorge, ich bin stubenrein!«, fügte ich hinzu und riss meinen Hemdkragen noch weiter auf.
    »Ich komme nicht zu Thalestris, um mich hier ebenfalls von euch dumm anquatschen zu lassen!«
    »He!«, mischte sich Lola ein. »Die ist kein Mann! Ich dachte, Lesben hätten einen Blick für so was. Schwule Männer erkennen sich doch auch.«
    »Wir zeigen uns immer die Muschis!«, erklärte ich Lola. »Wie vor einem Judowettkampf. Da müssen sich die Mädels auch bis auf den Schlüpfer ausziehen. Das Kampfgericht will sich vergewissern, dass es kein Bub ist, der sich als Kämpferin ausgibt.«
    Die Trekkingsandale wandte sich schnaubend ab. Sie hatte nicht meinen Humor.
    »Männer müssen sich natürlich nicht ausziehen«, setz te ich drauf. »Die Welt ist ungerecht.«
    Lola lachte in sich hinein. Sie hatte meinen Humor. Und sie hatte den Blick. Sie nahm das geheime Spiel wieder auf. Das gefiel mir jetzt.
    Im Gegensatz zu der hageren Lederlesbe mit ihrem männlichen Schmuck und einer aus weiblicher Identität stammenden Anmut, die ihr eine atemberaubende Jugendlichkeit verlieh, sah ich im Anzug eher wie ein verklemmter junger Bankangestellter mit Aknenarben aus, der sein Verhältnis zu Frauen über Zoten definierte. Ich bin eben auch das nicht. Ich bin gar nichts. Jedenfalls nichts, wofür sich eine atemberaubend männliche Frau interessierte. Auch wenn sie das Identitätsgefecht zwischen der Trekkingsandale und mir amüsiert verfolgte, träumte sie bestimmt nicht von einer lauen Nacht mit mir am Kirchentellinsfurter Baggersee. Aber vielleicht ging mit Lola nachher ja ein bisschen was.
    Sie las so schlecht wie bei Ursprung auch schon. Auf dem letzten Stück Fahrt nach Tübingen hatte ich ihr geraten, für eine Lesung in einem Frauenbuchladen was anderes auszusuchen, vor allem den männlich dominierten Sex wegzulassen. Da ich das Buch noch nicht gelesen hatte, konnte ich ihr allerdings nichts vorschlagen. Und nun stolperte Lola durch neue Textstellen, als läse sie sie selbst zum ersten Mal.
    Was zwingt eine junge Frau preiszugeben, wie sie es in der Badewanne mit dem Duschkopf treibt?, fragte ich mich. Oder war es nicht preisgegeben, sondern nur fantasiert? Aber warum eine solche Fantasie preisgeben? Und die Schilderung war realistisch bis ins Detail. Das war erlebt. Wenn nicht von ihr selbst, dann hatte sie es von woanders. Und was heißt schon preisgeben? Das ist der falsche Ansatz. In Wahrheit kostet es uns ungeheure – wenn auch unbewusste – Anstrengung, nicht ständig über unsere Sexpraktiken zu reden.
    Richard würde das bestreiten.
    »Muss es immer um Sex gehen?«, fragte nach der Lesung die Frau in Trekkingsandalen. »Mich interessiert das nicht. Ich bin alt genug, mir muss man nicht mehr erklären, wie Selbstbefriedigung mit Colaflaschen geht. Nebenbei sehr gefährlich, denn sie saugen sich schneller fest, als man glaubt, dann muss frau damit ins Krankenhaus. Ich bin Krankenschwester, bei uns in der Gynäko logie steht die Kiste in der Ecke, und am Ende der Wo che ist sie voll. Ich kann nur jeder

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