Malefizkrott
jungen Frau raten, es zunächst mit einem Dildo zu probieren.«
Reden tat sie jedenfalls auch gern darüber.
»Vielleicht habe ich das Buch ja nicht für Sie geschrieben«, antwortete Lola. »Es gibt total viele in meinem Alter, die null Peilung haben, auch wenn es immer anders heißt, Generation Youporn und so. Aber mal mit einem Jungen poppen ist noch kein Sex. Und im Übrigen geht es darum ja auch gar nicht in meinem Buch. Es ist mir ganz egal, was wer weiß. Ich will niemanden belehren.«
In diesem Moment tat es einen Schlag an der Schaufensterscheibe. Die Köpfe zuckten. Ich fuhr von meinem Stuhl hinter dem Tisch der Ladenbesitzerin hoch.
»Ein Vogel, der gegen die Fensterscheibe geflogen ist«, beruhigte uns Manu. »Gibt es noch weitere Anmerkungen?« Sie schaute sich um.
Schweigen.
Dann erbarmte sich eine: »Was bedeutet der Titel Ma lefizkrott ?«
»Malefiz, das Spiel, kennen Sie …«, begann Lola.
Ich erhob mich und begab mich zur Ladentür.
»… Ravensburger. Als Kind war ich ganz wild drauf, es zu spielen«, hörte ich sie noch sagen, dann war ich draußen und zog die Tür hinter mir zu.
Es war noch ziemlich hell, aber das orangerote Leuchten der Burse war verloschen, im Laub der Bäume auf dem Platz an der Mauer zum Neckar begann die Nacht sich zu sammeln. Die Stadtmauer stand kühl mir gegenüber, der Himmel darüber war grau. Der Geruch nach Enten, Algen und fauligem Holz zog vom Neckar herüber.
Ich blickte die Gasse hinauf und hinab. Erst dann entdeckte ich, was hinter dem Rauchertisch auf dem Boden unterm Schaufenster lag.
Ich bückte mich. Federn raschelten leise, der kleine Körper war noch warm. Es war eine gewöhnliche Straßentaube mit rosigen Füßen und knackig sauberem Gefieder, noch jung vermutlich. Der Kopf knickte über meinen Zeigefinger nach unten. Sie musste sich beim Flug gegen die Scheibe den Hals gebrochen haben.
14
Auf der Heimfahrt – inzwischen war es stockfinster – saß Lola in sich versunken neben mir. Ich hatte ihr den Umschlag mit dem Geld, den Manuela Kantor ihr gegeben hatte, sogleich abgenommen, von den 200 Euro meine 80 Prozent und 20 Euro Fahrtkosten kassiert und ihr lediglich 20 Euro überlassen.
Manu hatte nach Erklärungen für den geringen Publikumsbesuch gesucht. Die Wirtschaftskrise, Bücher würden derzeit kaum gekauft, der Buchhandel habe Einbußen von 12 Prozent im ersten Halbjahr erlitten, und ein kleiner Laden wie der ihre bekomme das noch deutlicher zu spüren, hier nehme man nicht mal schnell was mit, hier herab müsse man extra kommen, und das tue nur, wer schon vorhabe, etwas zu kaufen, und das verkneife man sich eben derzeit. Warum die Frauen dann nicht zu einer Lesung kämen, könne sie sich auch nicht erklären, vielleicht das schöne Wetter, man wolle draußen sitzen. Außerdem beobachte sie schon länger eine gewisse Diskussionsmüdigkeit bei den Frauen, sie wollten sich auch einmal einfach nur gut unterhalten.
Lola hatte zu allem genickt. Nur weg!
Auf dem Weg zum Auto hatte ich mein Handy konsul tiert und festgestellt, dass Richard dreimal angerufen hat te. Die Mailbox spulte mir die Nachricht ab, er sei morgen, Freitag, am Abend wieder in Stuttgart. Ob wir uns im Tauben Spitz treffen könnten, sieben Uhr. Ich simste mein Okay zurück. Im Auto löschte ich alle Daten der Fahrt von Stuttgart in die Bursagasse vom Navi.
»Ich finde Lesungen scheiße«, sagte Lola in die Stille unserer Raserei durch die Nacht. »Was soll das überhaupt bringen?«
»Keine Ahnung.« Die Baggerseen von Kirchentellinsfurt blieben im Dunkeln hinter uns.
»Warum gehen Leute zu Lesungen? Was haben die davon, dass sie mich da herumstottern hören. Ich bin Le gasthenikerin, ich kann nicht vorlesen. Außerdem schreibe ich nicht fürs Vorlesen, sondern dafür, dass es jemand liest. Das ist ein ganz anderer Stil, als wenn du ein Theaterstück oder ein Drehbuch schreibst, also gesprochene Sprache. Wenn Leute miteinander reden, dann ist das redundant …« Sie warf mir einen skeptischen Blick zu. »Sie wiederholen die Wörter. Sie nehmen Beg riffe auf, die du benutzt, und verwenden sie selber.«
»Stimmt, habe ich mir nie überlegt.«
»Ich habe mein erstes Drehbuch mit dreizehn geschrieben, das zweite mit vierzehn. Mein Vater und seine Studenten haben den Film gedreht und einen Preis damit gewonnen.«
»Und nun weißt du, dass du ein Wunderkind bist.«
»Scheiße! Hast du eine Ahnung, wie scheiße das ist.«
»Wenn dir kein eleganteres Wort
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