Malefizkrott
einfällt als Scheiße, muss es sehr scheiße sein.«
Der Wind eines Gelächters säuselte durch ihre Nase. »Was kann ich dafür, dass ich schreiben kann? Soll ich mich verstecken? Ich mache eh schon genug Rechtschreibfehler. Und ich achte peinlichst darauf, dass ich nicht zu hochgestochen daherrede. Mein Deutschlehrer hat trotzdem Panik vor mir. Eigentlich müsste er mir für meine Erörterungen und ähnlichen Pipifax eine Eins geben. Aber weil er das nicht zugeben will, erklärt er kurzerhand, er vergebe grundsätzlich keine Einsen, weil in Deutsch niemand so gut sein könne wie Thomas Mann.«
»Bäh!«
Sie schnaubte. »T.M. L’uomo homo. J.W.v.G.?«
»Goethe?«
»… der Wärter weint. Und F. K.? Ein infantiles Insekt.«
Ich musste lachen.
»Endlich lachst du mal!«
»Schön, dass du dich fürs Du entschieden hast. Ich heiße Lisa. Aber das weißt du ja schon.«
»LL, Lola und Lisa, Lisa und Lola. Gefällt mir.«
Leider lagen die Baggerseen nun weit hinter uns. Die Flughafenbefeuerung blinkte schon, und wie ein vieräugiges Insekt näherte sich im Nachthimmel eine Maschine zur Landung. Rot glühte der Schriftzug »Bosch« auf der Messeparkhausbrücke quer über der Autobahn, der Fernsehturm ließ seinen Scheinwerfer durch den Sommernachtdunst kreisen.
»Wer hat Durs Ursprung eigentlich erschossen?«, fragte Lola plötzlich.
»Weiß man noch nicht. Aber er muss ein sehr guter Schütze sein. Und das wird die Polizei letztlich auf seine Spur bringen.«
Lola lachte irgendwie scheppernd. »Na, hoffentlich verdächtigen sie meinen Vater nicht. Der ist nämlich im Schützenverein.«
15
Ich befreite mich von Mikro und Kameras, zog den Anzug aus, schlüpfte in Shorts und Shirt, nahm die tote Taube aus der Tasche, legte sie auf den Tisch und zog den kleinen Laptop heraus. Er glitschte an einer Stelle vom Blut der Taube. Ich wischte ihn mit dem Küchenlappen ab, nahm die Speicherkarte aus der Kugelschreiberkamera und steckte sie in den Slot des Laptops. Der Ladebalken begann klein und blieb klein. Das würde eine Weile dauern.
Cipión wedelte mit der Rute, schnüffelte mit gieriger Nase den Tisch herauf und wünschte sich Windhundbeine.
»Eine Taube«, erklärte ich ihm. »Schau!« Ich nahm das Tier und ging damit in die Hocke. Cipións Nase tropfte vor Eifer, die Augen glänzten, er öffnete die Schnauze und fasste zu, vorsichtig, fragend, fast zärtlich.
»Nachher«, sagte ich. »Jetzt gib erst mal wieder her!«
Cipións Kiefer schien zu klemmen, mit aller Macht zwang er sich, das Gebiss zu öffnen.
»Du kriegst sie nachher«, versprach ich ihm. »Wieso blutet die Taube, wenn sie gegen eine Schaufensterschei be gedonnert ist und sich den Hals gebrochen hat? Wieso bricht sie sich überhaupt den Hals?«
Cipión leckte sich verlegen links und rechts den Bart und setzte sich.
Ich trug die Taube in die Küche, machte Licht und legte sie auf die Spüle. Der kleine Körper war anderthalb Stunden nach Auffindung bereits ziemlich steif geworden. Bei kleinen Tieren ging das mit der Leichenstarre offensichtlich ruck, zuck.
Die feinen graublauen Federn am Kopf waren zerzaust, ein Auge geschlossen, das andere offen. Das geschlossene war blutunterlaufen. Ich kraulte am Hals die Federn beiseite. Da war oben ein Loch in der Haut, ein Stück Halswirbelsäule spießte heraus, die Stränge des Rückenmarks lagen offen. Der Tod war mit großer Gewalt über die kleine Taube gekommen. Das konnte sie nicht selbst getan haben. Ihr hatte jemand den Hals umgedreht. Und dieser Jemand hatte sie dann gegen die Schaufensterscheibe von Thalestris geschleudert.
Es war also mitnichten alles mit Lolas Geständnis erledigt, dass sie und Nino das Drohszenario ausgeheckte hätten. Es ging weiter.
Ich fotografierte die zerstörte Taube mit meinem Han dy von allen Seiten. Dann steckte ich sie in einen Gefrierbeutel und tat sie zu Sallys verlaustem Hanni und Nanni in mein Gefrierfach. Ich gab Cipión eine Extraportion Hundefutter, um mein Versprechen halbwegs einzulösen, setzte mich schließlich an meinen Computer und legte ganz gegen meine Gewohnheit einen Bericht an. Die Bilder, Filme und Audios dieses Abends mussten irgendwie kategorisiert werden, die Ereignisse verlangten nach ei ner Chronologie. Fragen Sie mich nicht, für wen. Für die Polizei, für den Fall, dass die Sache sich ausweitete, für den Fall, dass mir was zustieß.
Doch schon nach den ersten Zeilen verfluchte ich das Projekt. Was war noch mal das genaue
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