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Malefizkrott

Malefizkrott

Titel: Malefizkrott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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alle gedreht.
    »Hm«, machte Christoph. »Er hatte sich doch total vergafft in sie. Hätt ich ihm ehrlich nie zugetraut. Aber dass er sie nun so … na ja, seine Sache. Ich glaube, das wird nichts mit Cipión.«
    Doch man unterschätze den Dackel nicht. Seine herausragende Eigenschaft ist der Quersinn. Man schleift ihn quer hinter sich her, er zieh immer in die andere Richtung, obstinat bis zur Idiotie, und dann – plötzlich – bricht Intelligenz aus.
    Cipión stoppte, verabschiedete sich schweren Herzens von der Horde Gänse, die er dieses eine Mal zu erreichen gehofft hatte, und schwenkte in Richtung des Großgebüschs am See. Er überquerte den Pfad, der zu der Sonnenbadestelle der FKK-Jünger führte und den auch Spaziergänger mit ihren Hunden nahmen, fing an mit der Rute zu wedeln und schnüffelte einen Flecken ab, der etwa anderthalb Meter Durchmesser hatte. Dann schaute er mich erwartungsvoll an.
    »Brav!«, sagte ich, zog ihn erst zurück und gab ihm dann einen Krümel Hundekuchen, den ich in den Cargotaschen meiner Shorts fand.
    Christoph runzelte die Stirn. »Hm, schätzungsweise zwanzig Meter vom Leichenfundhort entfernt. Nur, was haben wir jetzt eigentlich gefunden?«
    »Die Stelle«, antwortete ich, »wo der Hund des Opfers um den Schützen herumgesprungen ist.« Ich wünschte, ich könnte meinem Dackel sagen, er solle sich den anderen Geruch, den des Schützen, gut einprägen. »Oh, was haben wir denn da?« Im Zufall eines Licht-und-Schatten-Spiels im Großgebüsch sah ich kurz etwas messingfarben aufblitzen. »Siehst du das, Christoph? Bitte sag mir, dass es eine Patronenhülse ist. Der Hund hat den Schützen daran gehindert, sie aufzuheben, vielleicht hat er ein bisschen Angst vor Hunden.«
    Christoph schnalzte anerkennend mit der Zunge. »Du gehst jetzt mal ganz weit weg von hier, und ich hole die Kollegen.«
    Ich machte mich mit dem Versprechen Christophs vom Acker, dass er mich – sofern er es verantworten könne – auf dem Laufenden halten werde. Im Gegenzug, das war stillschweigend ausgemacht, würde ich der Pres se nicht stecken, dass die Polizei den Tod von Volker B. womöglich hätte verhindern können, wenn sie ihn früher eingehend als Zeugen befragt hätte.
    Zwanzig Meter! Mir kam das weit vor, um mit einer Faustfeuerwaffe einen Menschen tödlich zu treffen. Was waren Standardentfernungen im Schießstand, fragte ich mich. Christoph hätte es mir sicher sagen können .
    Als ich an dem Kehrwochenidyll Münster entlang heimwärts fuhr, versuchte ich mir die Situation auf der Königstraße vorzustellen. Wie weit hatte Ursprung im Laden gestanden? Einen Büchertisch weit oder waren es zwei gewesen? Wenn zwanzig Meter die bevorzugte Schussentfernung des Unbekannten war, musste er etwa wo gestanden haben?
    Ich fuhr direkt weiter in die Stadt, suchte einen Parkplatz in der Unigegend und begab mich mit Cipión auf die Königstraße. Bei Walfisch wollte man Cipión nicht reinlassen, obgleich ich behauptete, das sei ein Bücherhund. Einer zweiten Verkäuferin klingelten die Ohren bei der Absurdität meines Arguments. Sie fuhr herum und schrie: »Das ist der Typ!«
    »Ganz ruhig!«, sagte ich. »Ich will nur …«
    »Die Polizei sucht Sie!«, stieß sie hervor und wich zurück. »Ich rufe jetzt die Polizei!« Schreiend rannte sie in den hinteren Teil des Ladens. »Polizei!«
    Die andere guckte mich erschrocken an. Ich klemmte mir den Dackel untern Arm, machte sechs mittelgroße Schritte in den Laden hinein zu der Stelle, wo Durs Ursprung gestanden hatte, drehte um und machte ab Ladentür noch einmal vierzehn Schritte.
    Jetzt stand ich jenseits des Brezelkiosks, der heute verrammelt und verschlossen war. Um zu wissen, wo der Schütze auf dieser Kreislinie gestanden hatte, hätte ich allerdings rekonstruieren müssen, wie der Filialleiter und die Schaulustigen gestanden hatten und wo sich die Lücke für den Präzisionsschuss aufgetan hatte. Aber die Stelle hinterm Brezelkiosk war schon mal nicht schlecht. Der Schütze hätte zwischen den Laternenmasten an der rückwärtigen Ecke stehend seinen Arm im Schutz der Kioskwand ausgestreckt haben können. Das wäre weniger aufgefallen, als wenn er frei gestanden und entweder einen Arm mit der Waffe oder beide ausgestreckt hätte. Die Polizei schoss mit beiden Händen an der Waffe, Sportschützen seitlich stehend und nur mit einer Hand.
    Man müsste die Kinder finden, die hier Fangen gespielt hatten.
    Ein Streifenwagen bog aus der Bolzstraße in die

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