Malefizkrott
sondern verbergen, je mehr Leute eintrafen, viele davon überrascht über den Andrang. Andere begrüßten Bekannte. »So, Sie auch hier? Man ist halt neugierig, gell? Bei den tollen Rezensionen! Nein, noch nicht gelesen. Na, sehen wir mal, nicht wahr?« Ich guckte mir jedes einzelne Gesicht an, vor allem derer, die nicht paarweise kamen. Bei den Männern waren das einige, bei den Frauen weniger.
Die Buchhändlerin strahlte, als schließlich alle saßen und die Hälse umso mehr reckten, je weiter hinten sie saßen, um einen Blick auf Lola zu erhaschen, die bei Mikro und Wasserglas Platz genommen hatte.
»Ja, guten Abend erst mal.« Die Buchhändlerin rieb sich sogar die Hände. »Es freut mich, dass Sie trotz Fußball so zahlreich den Weg zu uns gefunden haben. Wir haben aber heute auch einen besonders interessanten Gast.« Mit nahezu mütterlichem Stolz schaute sie zu der jugendlichen Autorin hinüber, die ihre Haare hinters Ohr geschoben hatte und Grübchen lächelte. »Als wir den Termin mit dem Verlag ausmachten, war noch nicht abzusehen gewesen, welchen Wirbel das Buch auslösen würde.«
Fürs Weitere zog sie einen Zettel aus der Rocktasche. »Lola Schrader hat ein hochinteressantes Buch vorgelegt. Es gibt sicherlich nicht viele, die im zarten Alter von siebzehn bereits die Aufmerksamkeit des Spiegel erregt haben. Vermutlich haben die meisten von ihnen das Interview gelesen. ›Ich bin Wortesammlerin‹, hat sie uns gesagt, und wir werden sicherlich nachher noch Gelegenheit haben, uns das genauer erklären zu lassen. Lola Schrader ist die Tochter der Schauspielerin Marlies Schrader, die Sie sicher alle aus dem Fernsehen kennen. Mag sein, dass dies die Aufmerksamkeit für das Buch erhöht hat, aber ich denke, es steht ganz und gar für sich. Und damit übergebe ich das Wort an Lola Schrader. Wir sind alle sehr gespannt.«
Applaus.
Lola begann wie bei den letzten beiden Malen mit den ersten Seiten, die sie diesmal schon etwas flüssiger über die Lippen bekam. »Arkan und Bettie bürsteln im Elternbett. Petra krallt mir die Hose samt Slip vom Hintern. Ein Single-Jersey-Ärmel mischte sich drunter, eine Socke. Kinderzimmersex. Sie stopft mir einen Ärmel in die Mö se! Arki platzt rein. Stör jetzt nicht, hau ab, kreischt sie. Knallt ihm ein Brett vor die Eier.«
Das hatte ich alles schon gehört, sogar gelesen. Meine Gedanken wanderten ab und verhakten sich in der Krimiszene, die ich vorhin gelesen hatte. Wie kommen Autoren auf ihre Einfälle? Auf so was muss man ja erst mal kommen! Gärtnerinnen bewachen eine Leiche, bis zwei Kriminalkommissare eintreffen! Wie war es denen nur gelungen, die Zentrale und die Polizeidienststelle zu umgehen?
Nach einer halben Stunde hatten die Menschen im Laden im Verein mit den Hochsommertemperaturen eine solche Ofenhitze erzeugt, dass man die Außentür aufmachte und einen alten Ventilator aufstellte, der aber nur in seiner Umgebung die Haare zum Flattern brachte. Als Lola das Buch zuklappte, war das Publikum im eigenen Schweiß ertrunken.
Die Buchhändlerin forderte zu Fragen auf und stellte dann selbst die erste. »Der Titel, Malefizkrott, was bedeutet der.«
»Du bisch’n Malefizerle, so secht ma zu de unardige Krott«, trötete ein älterer Herr. Alle lachten erleichtert. Manche ein bisschen zu laut.
»Ich bin halt selber so ein Malefiz«, flirtete Lola prompt auf ihre sich zur frechen Krott stilisierende Art. »Malefiz, das Spiel das kennen Sie. Das ist lateinisch von maleficus, übel handelnd, gottlos! Und Krott, das ist schwäbisch für Kröte. Klar? Noch Fragen?«
Keine Fragen.
»Dann bedanke ich mich«, nahm die Buchhändlerin wieder das Wort. »Wenn Sie das Buch erwerben möchten … Lola Schrader wird sicherlich bereit sein, zu signieren.«
Der ältere Mann war der Erste, der die Kasse klingeln ließ, ihm folgten ungefähr zehn andere. Ich stellte mich, getarnt mit einem Buch in der Hand, so neben Lola, dass ich jeden von vorn sehen konnte, der sich ihr näherte. Die meisten wollten irgendwas sagen, brachten aber nicht mehr heraus als »Ihr Buch hat mir sehr gut gefallen. Vor allem die Wortspiele! Wie kommen Sie nur immer darauf?« oder »Schreiben Sie bitte ›für Barbara‹!«
Und Lola kicherte. »Jetzt kann ich nicht mal mehr meinen eigenen Namen richtig schreiben.«
»Macht nichts«, sagte die mit dem Buch großzügig und wischte, als keiner hinsah, mit dem Unterarm über Lolas Geschmier, als würde es dadurch sauber werden.
Ein Herr mit
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