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Malenka

Malenka

Titel: Malenka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irina Korschunow
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Ernährungsstand, blieb zumindest geistig unbestechlich, Kaninchen im Marinearsenal, wenn das Admiral Dönitz wüßte.
    »Kleinerts Dolchstoßlegende«, spottete Wiethe. »Falls wir den Krieg verlieren, hat es an meinen Mümmelmännern gelegen.«
    Im übrigen bekam Margot ebenfalls ein Kaninchen von ihm, ein großes graues, das, wie sie glaubte, immer besonders freudig mit den Ohren gewackelt hatte beim Anblick frischen Futters. Es gehörte zu ihren Aufgaben, während Wiethes häufigen Abwesenheiten die Tiere zu versorgen, und weil sie die meisten von ihnen inzwischen nicht nur kannte, sondern auch, ein Irrtum sicherlich, etwas wie Vertrauen in den Augen zu spüren meinte, mußte Liesbeth Domalla kommen, um das frischgeschlachtete und abgezogene Geschenk zu holen, jene Gelegenheit, bei der sie Wiethe zum ersten Mal sah, prüfte und für zu leicht befand.
    »Hier ist ein Lorbeerblatt«, sagte er, »nicht vergessen, das gibt erst den richtigen Geschmack. Und ordentlich Pfeffer, Kaninchen brauchen Pfeffer.«
    »Weeß ick allet«, sagte sie.
    »So, Sie wissen schon alles?« Aufmerksam musterte er ihr Gesicht, sein Sammlerblick, bis Liesbeth Domalla rot wurde und sich abwandte. »Na, dann mal los, hoffentlich schmeckt’s.«
    Aber es schmeckte nicht, konnte ihnen nicht schmecken, Margot ebensowenig wie Liesbeth Domalla und Lore Möller, die gemeinsam den Braten zubereiteten und bewachten in der an jedem Sonntagnachmittag freigegebenen Küche unten im Schloß. An den Wänden standen noch die alten Schränke, auch der mächtige Herd stammte aus freiherrlichen Zeiten, und Liesbeth Domalla, vertraut mit den Örtlichkeiten, hatte in irgendeinem Winkel sogar eine eiserne Bratrein gefunden. »Is jut for so’n Tier«, sagte sie. »Da kann’s janz friedlich schmorn.«
    Es war der zweite Advent, Weihnachtslieder kamen aus dem Radio, O du fröhliche, etwa zwanzig Mädchen umdrängten den Herd mit ihren Töpfen und Kasserollen. Die armseligen Gerüche mischten sich, Kartoffeln hauptsächlich, Nudeln, Mehlsuppen, Sauerkraut, sogar ein kleiner Fisch. Und über allem das Kaninchen, pfeffrig und mild zugleich, bittersüß der Hauch des Lorbeerblatts und darin die Würze von Fleischsaft und gebräunten Zwiebeln. Eine Provokation. Kein Wunder, daß es aus der Pfanne gerissen wurde.
    Der Ansturm kam schnell und plötzlich. Margot, allein am Herd für einen Moment, versuchte noch, die ersten Hände abzuwehren, doch selbst Liesbeths Autorität hätte den Kaninchenbraten nicht retten können vor soviel Gier. Eben war er noch da, dann schon verschwunden, nur die herumliegenden Knochen zeigten an, daß es ihn gegeben hatte.
    Liesbeth schien sich nicht weiter zu wundern, »een Karnickel und der janze Hunger, muß ja in Eimer jehn«. Und dann: »Is ooch keen Sejen druff, wat von da kommt«, von Wiethe nämlich, denn wie der einen anstarre, das kenne sie schon, der französische Koch im Metropol sei von derselben Sorte gewesen, und der hätte zwei Kinder gleichzeitig gemacht, eins dem Spülmädchen und das andere der kalten Mamsell, und dann zack, ab nach Paris.
    Wiethe sammle Gesichter für ein Buch, versuchte Margot ihr klarzumachen, umsonst, Gesichter klauen, das sei ja noch schlimmer, und Margot solle sich in acht nehmen um Himmels willen.
    Aber Liesbeth Domallas Meinung, obwohl Margot manchmal gewisse Ähnlichkeiten mit Anna Jarosch in ihr zu sehen glaubte, eine Anna Jarosch in jung, war nicht so wichtig. Was zählte, war Wiethe. Und Lore Möller, hauptsächlich Lore Möller, weil sie mit ihr über Wiethe reden konnte und nicht nur über Wiethe. Lore Möller, Margots Begleiterin jetzt im Wald, eine Freundin, zum ersten Mal.
    Diese Wege morgens und abends, endlos in der Erinnerung und endlos ineinanderfließend auch, wie sie miteinander redeten über das, was sie wußten und wissen wollten, was sie fürchteten, hofften, wünschten. Ein unverlierbares Bild, rotgelb der Oktober, Nebel und Regen im November, dann Schnee, und sie gehen nebeneinander her, vom Lager zum Arsenal, vom Arsenal zum Lager, und der Weg wird niemals zu lang. Bis ein zweites Bild, jenes, von dem Margot noch nichts wußte damals, kommt und sich darüberlegt, das Schlußbild, und alles, was schön war, zudeckt mit seinem Schrecken.
    Dabei schien Margots Versuch, die schützende Distanz, die zwischen ihnen lag, zu überwinden, fast aussichtslos am Anfang. Ein paar Worte, ein abweisendes Lächeln, mehr kam nicht zurück bei der Begegnung im Speisesaal, auch nicht während der

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