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Malenka

Malenka

Titel: Malenka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irina Korschunow
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abholen.
    »>Ten Little Niggers<, I should say. And >ABC-Murders<, very thrilling indeed. What’s your Christian name by the way?«
    »Margret.«
    »Margaret? Well, Maggie.« Er schien zufrieden mit dem Namen, hatte auch den Finger aus der Nase genommen, so daß Margot wieder unbefangen auf seine Fragen antworten konnte, wo sie wohne, was sie gemacht habe bisher, eine erste Gelegenheit, ihre Englischkenntnisse umzusetzen, denn Dr. Isemann, in der Grammatik offenbar sicherer als im praktischen Sprachgebrauch, war ihren Konversationsversuchen stets ausgewichen. Nun erzählte sie vom Pfarrhaus, von der Flüchtlingswirtschaft, von ihren Privatstudien am Vormittag, in langsamen Sätzen allerdings, ängstlich nach den richtigen Vokabeln und Konstruktionen suchend, quite good English, behauptete jedoch Major Hollet, nur die Übung fehlte. »Practice, Maggie, that’s what you need, well, read your books and come back, bye.«
    Die Sprechzeit war vorüber, die Halle leer.
    »Fast eine Stunde«, sagte Herr Baranow vorwurfsvoll, »aber das kennen wir schon, Major Hollet hat ein äußerst getrübtes Verhältnis zur Zeit.« Er sah auf die Bücher. »Zwei nur? Dann werden wir uns ja sicher bald wiedersehen.«
    Margot zögerte. »Macht er das öfter?« Sie tippte mit dem Zeigefinger an die Nase, und Herr Baranow nickte. »Häufig. Aber selbstverständlich nicht in Gegenwart von Landsleuten, Fräulein Möller.«
    »Nur vor Negern und Indern«, ergänzte er später, als Margot längst zum Personal des Military Government von Iffenhausen gehörte, wo Sir William Hollet seit Oktober das Kommando innehatte, Colonel inzwischen und weiterhin dieser irritierenden Gewohnheit frönend, selbst bei Konferenzen mit dem Landrat des Kreises, den Richtern, Schuldirektoren, Dorfbürgermeistern, so daß die einfacheren Gemüter unter ihnen annahmen, ein solches Verhalten entspräche englischem Brauch. Margot wußte nie, wenn sie für ihn dolmetschte, wohin sie blicken sollte, in die verblüfften Gesichter am Konferenztisch oder auf den Colonel, der in geduldiger Ausführlichkeit die Maßnahmen der Siegermächte zur allmählichen Demokratisierung erläuterte, wie etwa die Schaffung von örtlichen Selbstverwaltungen, die Neugründung von Gewerkschaften und Parteien, den stufenweisen Aufbau also auf unterer Kreisebene, und dabei in aller Unbefangenheit mit seinen Kügelchen schnippte.
    »Koloniale Arroganz«, behauptete Herr Baranow, der, wenn er mit Margot allein war, hin und wieder Relikte seiner sozialistischen Erziehung herausließ. »Das sitzt diesen Herren im Blut. Vor Indern und Negern braucht man sich nicht zu genieren, genausowenig wie vor Hunden, und etwas in der Art sind wir ja zur Zeit.
    Aber was wollen Sie, er sorgt für uns, ein echter Patriarch, und solange er eine Hand über uns hält, kann er von mir aus die andere ruhig in die Nase stecken.«
    Er lachte schallend über den letzten Satz und übersah dabei Margots Unbehagen. Es paßte ihr nicht, was er sagte, aus mancherlei Gründen nicht. Eine Notlösung, dieses Iffenhausen, ein Spatz in der Hand. Doch nun war sie hier, und Herrn Baranows Worte gingen ihr gegen den Strich.
    Merkwürdig, wie die Ereignisse, die Hoffnungen und Enttäuschungen, ineinandergegriffen hatten, um sie an diesen Ort zu bringen, obgleich, wie Margot später meinte, nur im Rückblick sich alles so wohlgefügt darbot. Göttingen etwa, die Absage von der Universität, ohne die es vermutlich für sie kein Iffenhausen gegeben hätte, während das Ungestüm, mit dem sie schließlich doch noch nach dem Studium griff, sich wiederum als Ergebnis von Iffenhausen erklären ließ. Vorbestimmung? Schicksal? »Nenn es, wie du willst«, sagte Margot, wenn sie später über diese Zeit sprach, »die Schritte jedenfalls habe ich immer selbst getan«, und wies dabei auf einen Spruch ihrer Großmutter hin: »Tritt in Hintern kriegst du umsonst, aufstehen kostet eigene Geld.« Allerdings hätte sich ebensogut etwas anderes aus Anna Jaroschs Fundus beisteuern lassen, das schon bekannte »Mensch sitzt in Wagen, aber Gott lenkt Pferde«, oder jene Weisheit vom Haufen am Weg, von dem man nicht wisse, ob er aus Dreck sei oder aus Gold. So viele Sprüche wie Fragen, einmal dies, einmal das, in jedem eine kleine Antwort für den Augenblick, und mehr, nahm Margot an, sei wohl nicht zu verlangen angesichts des großen Rätselratens.
    Iffenhausen also, das Military-Government, ein Winter, ein Sommer, die Erfahrungen, die Folgen.
    Den

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