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Maler und Mädchen - Maler und Mädchen

Titel: Maler und Mädchen - Maler und Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
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der Palette auf dem Arm zu ihr. Ändert mit seiner freien Hand die Haltung ihres rechten Arms, schiebt das weiße Hemd von ihrer Schulter, nimmt ihre Hand, dreht sie, hebt sie ein wenig hoch und legt sie mit dem Rücken an den rostroten Bettvorhang. Geht rückwärts zur Staffelei zurück.)
    Stille.
    Er, hinter der Holztafel hervorspähend: »Jaaa …« Flüsternd: »Sehr gut …«
    An jenem Nachmittag jedoch hatte er das Werk auf die Staffelei im Malzimmer gestellt, um es dem gierigen Blick seines lerneifrigsten Schülers auszuliefern. Er hatte sich einen Schritt hinter den Jungen gestellt, mit halb zusammengekniffenen Augen.
    Der Maler und sein Schüler hatten nicht die junge, halb entblößte Frau wahrgenommen, die, während sie auf ihrenMann wartet, mit unaussprechlich liebem Gesicht schon mal den Vorhang ihres Bettes beiseite schiebt. Sie hatten mit den Augen des Fachmanns und Künstlers und mit einem Hyänenblick auf den Farbverlauf der mattgelben Ockertöne geschaut, auf das höchste Licht der Leinwand, das auf Schulter, Stirn und linken Unterarm fiel, und auf den düsteren Hintergrund, das dunkle Nest, das der Maler als erstes gemalt hatte und das aus verschiedenen Umbra- und einer ganzen Reihe von Schwarztönen bestand: Schwarz-Azurit-Blau-, Schwarz-Zypernbraun- und die stumpfen, tiefen Beinschwarztöne, die aus dem gerösteten Abfall des Schlachthauses an der Kromme Waal gewonnen wurden. Sie hatten auch, sehr lange, die Weiß- und Gelbtöne betrachtet, die einige Teile des Hemdes – den Ärmel, die Falte über der linken Brust der sehr weiblichen Frau mit dem mädchenhaften Gesicht – so stark aufhellten, daß ihr Licht das Licht der nackten Schulter und der rechten Brust noch zusätzlich zu bescheinen schien und ihre Haut noch weißer, noch unendlich viel weißer und weicher machten.
    Der Schüler hatte sich von der Leinwand abgewandt. Auf den Fußboden starrend, hatte er sich die feuchten Hände an der Hose abgewischt.
    »Wie …« setzte er an und hob den Kopf.
    Er hatte vergessen, daß es unmögliche Fragen gibt.
    »Wie machen Sie das?«
     
    ÜBER DAS LICHT DES SCHATTENS
     
    Der Maler wurde von den vier hoffnungslosen Worten getroffen.
    »Hör zu«, hatte er beruhigend gesagt. »Licht ist eine Fertigkeit. Man muß es können, das ist alles. Licht ist da, wo der Maler es hinsetzt. Du weißt noch, was ich über das Stubenlicht gesagt habe?«
    »Ja«, antwortete der Junge, auf dem Wege zur Meisterschaft, mit leiser, verzweifelter Stimme. »Es besteht fast ausschließlich aus der Reflexion einiger direkt beleuchteter Gegenstände.«
    Der Schüler hatte mit starkem Stirnrunzeln von der Leinwand zu dem Licht geschaut, das durch ein Nordfenster kühl auf den Arbeitstisch mit den Pigmentdöschen, Farbschalen, Tuschefläschchen, Federn und Pinseln herabströmte und auf das schöne weiße Halstuch, das die schöne Frau des Malers am Tag zuvor hatte liegenlassen.
    Für einen Augenblick war es still geblieben. Dann hatte der Maler in vertraulichem Ton gesagt, ausnahmsweise, weil er, Samuel, es sei, wolle er ihm verraten, daß es bei einem Interieur in erster Linie auf das Wissen um diese ganz besondere indirekte Beleuchtung ankomme, die auf den Schatten falle, und daß man den Weiß-, Dunkelgrau-, Braun-, Gelbtönen unter Hinzufügung verschiedener Halbtöne dennoch ihren Wert als höchstes Licht geben könne und auch müsse. Er hatte sich auf den Stuhl neben dem erloschenen Ofen gesetzt. Fast wie für sich, als gehe er ein paar alte Aufzeichnungen im Kopf durch, verbreitete er sich über die genauen Bestandteile des Lichts, das sich etwas altväterlich über eine Kerze, auf ein Buch legt, des Lichts aufdem Bauch eines prächtigen, an den Füßen hochgehobenen toten Vogels, des Lichts, das voller Mitgefühl, freilich ohne sich zu verteilen, über die Seite eines Männergesichts streicht oder das wie eine Flüssigkeit am gelblichgrünen Rumpf einer Leiche auf dem Seziertisch klebt, an deren aufgeschnittenem rechten Arm und den emporgerichteten Füßen. Er erinnerte daran, wie man alle Erdfarben auf der Palette durch Beimischung von Rötlichbraun, Karmesin, Ocker, Bleiweiß oder welchen Tönen auch immer, so niedrig sie auch angelegt sind, dennoch zum höchsten Licht auf dem Gesicht und Kleid eines kleinen Mädchens machen kann, das inmitten einer Gruppe fröhlicher, nicht ganz ernst zu nehmender bewaffneter Schützen natürlich nichts anderes zu suchen hat als genau das, das Licht.
    Der Schüler war mit

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