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Maler und Mädchen - Maler und Mädchen

Titel: Maler und Mädchen - Maler und Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
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Schenke gefragt hatte, wohin die Koftjalk, die in diesem Moment beladen wurde, fahren würde. Der Schiffer, Niels Eilschov, reagierte zurückhaltend. Auf dem nassen Kai sagte er, ohne den Blick von den Körben und Ballen abzuwenden, die über die Laufplanke zur Luke oberhalb des Laderaums geschleppt wurden, daß er als erstes nach Korsör segele.
    »Und danach?« fragte sie.
    Der junge Mann drehte sich zu ihr um und sah genauer hin. Er sah ein kräftiges Mädchen, Hände vor dem Bauch gefaltet, rotes Tuch über dem Haar, das ohne Umschweife zur Sache kommen wollte. Ein zahlender Passagier war nieverkehrt. Ehrlichkeitshalber erklärte er ihr, daß seine Reise also mit einem Umweg von schätzungsweise einer knappen Woche begann. Wenn der Wind günstig war, sagte er, würde er in zwei Tagen in Korsör löschen, dann wieder laden, Baumstämme, aus Norwegen antransportiert, um danach an der Nordspitze Jütlands vorbei zu seinem Endziel zu segeln.
    »Amsterdam«, erklärte das Mädchen mit einem Kopfnicken und erkundigte sich nach der Reisedauer, von der sie keine blasse Ahnung hatte.
    In einem Reflex blickte der Schiffer nach oben, musterte den Himmel, die Kälte über dem Wasser, danach sein Schiff und schließlich das emporgerichtete runde Gesicht des Mädchens. Niels Eilschov führte noch einmal den Wind an.
    »Wenn der mitspielt, vielleicht zehn, vierzehn Tage.«
    Die Augen des Mädchens leuchteten auf. Vierzehn Tage oder die Wirklichkeit, muß sie verstanden haben. Ein lästiges, törichtes Verlangen hatte sich im Handumdrehen in etwas ganz Reales verwandelt. Ort und Zeit, glasklar verflochten in einer Seereise mit festem Endziel.
    Erleichtert, weil die Geldstücke, die sie den ganzen Winter über an die Reise gemahnt hatten, jetzt endlich Ruhe geben würden, fragte sie, wieviel es koste.
    Der Schiffer dachte nach, seinen Blick in den ihren gesenkt.
    »Für den Umweg nach Korsör brauchst du mir nur sechs Stuiver fürs Essen zu bezahlen«, sagte er. »Für die Reise selbst berechne ich, sagen wir mal, zwei Taler.«
    Sie überraschte ihn damit, daß sie sofort die Hand ausstreckte, mit einer Art Kaufmannsvergnügen in die seine einschlug und sie dann drückte. Sodann wollte sie alles aufder Stelle bezahlen. Er schüttelte den Kopf. Niels Eilschov wollte nicht mehr als eine einzige Münze von ihr und zählte ihr nach Abzug der sechs Stuiver das Wechselgeld in die Hand.
    Als kalkuliere er das eisige, hoffnungslose Eingeschlossensein auf der kleinen Insel, der Sandbank Sprov, bereits mit ein.
    Auf dem Rückweg vom Hafen nach Hause fühlte sie sich trotz der Geldbörse in ihrer Rocktasche, die durch das Kleingeld etwas schwerer geworden war, so leicht wie ein Vogel. Erst vor recht kurzer Zeit, schon deutlich im neuen Jahr, hatte sie endlich begriffen, was Sarah-Dina ihr mit Hilfe des Geldes zugezischt hatte.
    Ende Januar, ein normaler grauer Tag. Sie war mit einer Arbeit in der Scheune beschäftigt gewesen. Durch die Tür das auf die Körbe mit den Federn einfallende Licht. Auf einmal war ihr Stiefbruder aufgetaucht, der Holz hacken wollte. Der Seemann, im Schlitten über Land gekommen, hielt sich für einige Wochen zu Hause auf. Da sie sich nie recht wohl in seiner Nähe fühlte, war sie an ihm vorbeigeschlüpft. Und vorbei am Stiefvater in der Küche. Sie kletterte die Leiter zum Dachboden hinauf, schob die Hand unter die Matratze und ging mit den Münzen zum Fenster. Als sie den Laden aufstieß, flog ihr eine kleine Fledermaus vor die Füße.
    Blinkendes Bargeld in der Hand. Und im Ohr eine stumme Stimme und ein Befehl.
    »Komm du auch …!«
    Sie hatte von den Münzen zu dem schlammbraunen Säugetier geblickt, das sich schläfrig, träge flatternd vom Fußboden wieder hocharbeitete.
     
    Jetzt also die Konsequenz, am Morgen des sechsten März sechzehnhundertvierundsechzig. Seewind. Totefischegeruch im Umkreis der Hafengebäude. Und Elsje Christiaens, die im Morgengrauen mit einem Gesicht zum Kai hinuntergeht, das man nur als Reisegesicht bezeichnen kann. Ernst (wegen des Abschieds), fest entschlossen (der einzige eigene Beitrag zum Schicksal), demütig, da nun alles mögliche geschehen würde, das sie natürlich akzeptierte, von dem sie allerdings noch nicht einmal den kleinsten, winzigsten Teil kannte.
    Abschied?
    Gut eingepackt in ein Umschlagtuch, die zugebundene kleine Reisekiste an der Schleife um ihre Hand baumelnd, ist das Mädchen ohne auch nur eine Spur von Wehmut am Hafen angekommen. Mit den Gedanken nicht

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