Maler und Mädchen - Maler und Mädchen
gegangen.
»Darf ich mal eben vorbei?« fragte sie Bruyningh.
… Michiel Angelo Bonalotti .
Die junge Frau erwiderte den Blick des Beamten offen, auf ein Lächeln verzichtete sie.
Probedrucke von Rubens, Radierungen von van Dijck, Stiche von Holbein, Skizzen von Lastman … Bausteine, die Fundamente der Autobiographie eines Künstlers. Es war bereits spät am Nachmittag, als der Maler das letzte Buch seiner Sammlung, im Quartformat, mit Federzeichnungen von ihm selbst, in das Regal zurücklegte. Er sah Bruyningh unergründlich an.
Womit kann ich jetzt noch dienen?
Als die kleine Gruppe die Treppe herunterkam, erwarteteRicky sie in der Tür zum Wohnzimmer. Ihr rundes Gesicht glänzte ein wenig, das üppige Haar, frisch gekämmt, trug sie zu beiden Seiten des Kopfes zu dicken Zöpfen geflochten. Bruyningh, eigentlich bereits daran gewöhnt, vorzugehen, kam sich auf einmal schwer und grob vor, als Eindringling. Sie trat zur Seite.
Das Zimmer war groß und gemütlich. Am kleinen Feuer im Kamin, in dieser Jahreszeit lediglich zum Kochen gedacht, erhob sich ein schwarzweiß gefleckter Hund, auf den Stufen zum Innenhof saßen ein Dienstmädchen und ein Kind. Es wäre überhaupt nicht nötig gewesen, morgen würde er ja wieder hier sein, und er wußte selbst nicht, warum er es tat, jedenfalls ging Bruyningh sofort auf den großen Schrank zu, Eiche mit Elfenbeinintarsien, Sinnbild des häuslichen Lebens, wie es in vornehmen Wohnungen Brauch war. Nach einem Wink an die Adresse des Schreibers bat er die Hausfrau, den Schrank zu öffnen. »Total verrückt«, würde er abends zu seiner Frau sagen. »Vor lauter Nervosität begann mein Unterkiefer zu zittern.«
Die Frau des Malers entgegnete, dies sei ihr Schrank.
Bruyningh antwortete nicht.
»Aber ich mache ihn gern für Sie auf«, sagte sie.
Im nächsten Augenblick starrten alle mit todmüden Augen auf den dicht gestapelten Vorrat an Laken, Servietten, Hemden, Hauben, Tüchern, Schalen, Schüsseln, italienischen Glaswaren, eisernen Ringkragen, silbernen Taufgeschenken, in karminroten Stoff gebundenen Bibeln, Samtbeuteln mit ererbten goldenen und silbernen Ketten und Perlenohrringen – alle außer Ricky. Die blickte, die Hundeschnauze auf ihrem Fuß, in Richtung Alkoven.
»Die beiden Schachteln da …« begann Bruyningh ergeben.
Sie trat näher, öffnete eine und zeigte die Obstmesser mit den Korallengriffen. Sie und Bruyningh wechselten einen Blick, den sie bereits voneinander kannten.
Schon bald danach saß die ganze Gesellschaft bei Tisch. Die Arbeit war für heute getan, jetzt erst mal ein Glas Wein. Der Maler bot den Männern eine Pfeife an, das Dienstmädchen stellte eine Schale mit Marzipangebäck auf den Tisch, Ricky nahm die Kleine auf den Schoß, der Sohn ließ den Hund Männchen machen, und der Schreiber wischte sich die schwitzenden Hände an der Hose ab. Morgen würde er auch diese ganze Häuslichkeit, in der sie hier beisammensaßen, säuberlich zu Papier bringen und mit einer Nummer versehen: den Spiegel im Ebenholzrahmen, den großen Eßtisch, die Stühle, die Tischdecke, den Perserteppich auf dem Boden, den blauen Wandbehang, die Schürhaken, das Schränkchen mit den Kinderwindeln sowie die Matratze, das Keilkissen, die Kopfkissen und Decken des behaglich gemachten Betts dort an der Wand.
11
Anfall von Heftigkeit
Dann greift man doch trotzdem nicht zu einem Beil.
Worte, die, auf eine Erläuterung oder einen Kommentar wartend, in der Luft hängengeblieben waren. Die Uhr der Zuiderkerk hatte gerade halb eins geschlagen. Der Maler, im Begriff zu gehen, klopfte seine Pfeife im Aschenbecher aus. Mina Cloeck fing seinen Blick auf und bemerkte Interesse. Die Treckschute nach Muiden würde in exakt einer Viertelstunde gehen. Sie rechnete aus, daß sie noch fünf Minuten Zeit hatte. Mit sehr feiner Intuition hatte sie erfaßt, daß der Maler, der Himmel mochte wissen, warum, zwar keinen Augenzeugenbericht von ihr wollte, aber neugierig auf den Mord mit dem Beil war er inzwischen doch. Also erzählte sie ihm, daß ihr Mann als einer der neun Schöffen beim Verhör des Mädchens zugegen gewesen war.
»Dreimal«, sagte sie. »Sie wurde dreimal verhört. Das erste Mal im Schöffensaal, danach, wie meistens bei schweren Delikten, in der Folterkammer. Sie sind wirklich ganz gewissenhaft mit dem Kind gewesen. Holländisch verstand sie zwar ein bißchen, wer nicht heutzutage, nicht wahr, aber sie haben doch schnell einen Dolmetscher dazugeholt.«
Der Maler,
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