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Maler und Mädchen - Maler und Mädchen

Titel: Maler und Mädchen - Maler und Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
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Amsterdam eine Extraportion Raum und Zeit, was gar nichts ausmacht. Wer achtzehn ist, hat genügend Atem. Diese Woche zu verstehen sollte ihr nicht gelingen. Nur, daß die Verzögerung durch den Knecht kam.
    Der Mond war bereits erschienen, als ihre Unterkunft für, wie sie dachte, eine Nacht endlich im Schnee auftauchte. Sie waren lange umhergefahren, kein Dorf, kein Haus weit und breit. Auch keine aufgehängten Wölfe mehr übrigens. Der Knecht, der die Pferde lenkte, ignorierte die Rufe seiner Herrin, der Stups gegen seinen Rücken kümmerte ihn genausowenig. Schließlich drehte er aber doch den Kopf auf die Seite. Elsje sah ein versteinertes Profil, das schweigend fragte: Ja, Mensch, was ist? Eine Verstörtheit, die sie verstand. Der Schnee war blau, die Fläche unermeßlich, der Mond weiß. Nach einiger Zeit spielt nichts anderes mehr eine Rolle.
    Doch das Gespann schwenkte herum, und der Schlitten hielt vor einem Hindernis, das ihr auf den ersten Blick eine Hütte mit einem gelben Licht hinter einem Fenster zu sein schien. Danach, in der Diele des Bauernhofs, der zu wachsen schien, während sie da standen, hörte sie Trein Jansdogter mit dem Bauern, der ihnen die Tür geöffnet hatte, über ihre Übernachtung verhandeln.
    Für eine Nacht? lautete die Frage.
    Die Antwort: Für unbestimmte Zeit.
    Sie folgte dem Blick ihrer Amaker Freundin. Der Knecht stand in dem schmalen Raum unter einer Leiter, die mit einem Strick an zwei Pfosten festgebunden war, und sah aus wie eine gerahmte Statue. Ein Bauernsohn, der ihre Sachen auslud, stellte Ranzen und Taschen wie Opfergaben vor seine Füße.
    »Was ist los mit ihm?« fragte sie Trein am nächsten Tag mehr als einmal und auch am darauffolgenden Tag noch mal. »Was hat er?«
    Sie erntete nur ein Kopfschütteln.
    Im Laufe dieser Woche sah sie den Mann in sich zusammengesunken auf einem Stuhl sitzen, in der Ecke neben dem Ofen stehen oder seinen Becher leer trinken und den Arm für einen Nachschlag ausstrecken, den er dann von Trein auch bekam. Und nachts hörte sie ihn atmen, will sagen, sie hörte, wie das erstickte Schnappen nach Luft, mit dem er irgendwann die Stille durchbrach, in einen lauten Schnarcher mündete. Dann war es wieder mucksmäuschenstill. Auf dem Dachboden waren drei Schlafplätze für sie eingerichtet worden, durch Schränke getrennt. Nach zwei Tagen, an denen Elsje tagsüber immer wieder zu den Fenstern gegangen und die Wohnstube des Bauernhofs enger und enger, wieder zu einem Hüttchen geworden war, begann sie nachts dem Verlauf dieses gräßlichen Geräuschs zu lauschen. Wann kommt es? Jetzt? Nein, noch nicht. O Gott, da ist es! Und sie schoß hoch, ließ das Geräusch über sich ergehen, hörte danach keinen Mucks mehr, legte sich wieder hin und wartete im Dunkel, daß sich das Phänomen auf der anderen Seite des Schranks wiederholen würde.
    Wie kann man auf diese Weise schlafen? Als sie während einer dieser Nächte an Sarah-Dina denken mußte, in Bildern, so lebendig wie die Welt, ging ihr nicht einmal auf, daß sie an ihre Schwester schon seit geraumer Weile nicht mehr als Reiseziel dachte, sondern an etwas, das vorbei ist.
    Gerade an diesem Nachmittag hatte Trein, ziemlich schwärmerisch, mit Glücksaugen geseufzt: »Ach ja, vorbei … vorbei.« Und sie eine Zeitlang mit intimen Frauenerinnerungen bedacht, die ihr nichts sagten, Sex war ein weißer Fleck in ihrer Vorstellungswelt.
    Sie waren unter sich gewesen. Das Bauernpaar hatte allerlei Dringendes in der Scheune zu erledigen, die beiden Söhne, begeistert von ihrer Herrschaft über die Rassetiere, gingen derweil zu den Friesen. In der Wohnküche hatte eine etwas merkwürdige Stimmung geherrscht. Die Witwe und Elsje hatten zusammen auf einer der Fensterbänke gesessen, während ein Stück weit von ihnen entfernt, am Tisch, der Knecht vor sich hin stierte, in dem sich an diesem ganzen Nachmittag noch nichts anderes geregt hatte als der Impuls, den leeren Suppenteller von sich zu schieben.
    »So eine Seele von Mensch«, hatte Elsje über den verstorbenen Ehemann zu hören bekommen. »So ein durch und durch guter Mann.«
    Wenn sie hinausschaute, hatte sie sich die beiden jungen Reiter in der Ferne vorgestellt, die wahrscheinlich nie mehr zurückkehren würden. Wandte sie den Blick wieder ab, sah sie keine Armlänge neben sich den Rock aus Amaker Schafswolle, schwarz mit rot gefütterten Aufschlägen, auf denen die eine Hand zärtlich die andere streichelte.
    »… Und wenn er am Tag einen

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