Maler und Mädchen - Maler und Mädchen
guten Fleischkontrakt geschlossen hatte, sagen wir mal, mit einem Händler in Hamburgunter der Bedingung, daß die Zollgebühren bei Gottdorf auf den Käufer entfielen, tja, mein liebes Kind, dann schlug er abends gleich nach dem Essen vor, doch einfach früh zu Bett zu gehen.«
So hatte die Witwe Elsje von einem kostbaren, phantastischen Glück berichtet, das gerade, weil es vorbei war, um so glücklicher erschien.
»Entschuldigung«, hatte das Mädchen irgendwann gesagt, das meinte, alles Gute läge noch vor ihr. Sie hatte gegähnt, herzhaft, aber mit halb geschlossenem Mund, so daß ihr Tränen in die Augen geschossen waren.
»Aber Kind, du schläfst doch wohl gut? Sie haben auf dem Dachboden doch prima Betten für uns hergerichtet, oder?«
Jetzt lag Elsje im Dunkel und wartete auf das Schnappen nach Luft, das einstweilen noch ausblieb. Sie hob den Kopf und ließ ihn wieder sinken. Tödliche Stille. Und draußen die endlose Weite. War ihr nicht klar, daß sie auf dem Weg über die kleine Insel Sprov und das große Fünen jetzt wieder in Jütland war, nicht weit von zu Hause? Es war die vierte Märzwoche. In gut einem Monat würde sie kein Landkind mehr sein, sondern eine zur Höchststrafe verurteilte Schwerverbrecherin, der nicht einmal die Wärme eines Grabes gegönnt werden sollte. Hat sie, während sie im Dunkeln emporstarrte, denn nicht wenigstens einmal gedacht: Was tu’ ich hier, besser, ich geh’ zurück? Der Hof, das Haus, die Gänseweide, ihr Verehrer in der Hafenkneipe Zout …
Das Schnappen begann. Sie schoß hoch.
Oder der Schiffer von der Dorothe … Hat sie denn keinen Augenblick an die jungen Männer gedacht, die sich nach ihr sehnten?
Da war der gewaltige Schnarcher. »Mein Gott«, flüsterte sie erleichtert und legte sich, vom Schlaf übermannt, wieder hin.
In dieser Nacht träumte sie von den riesigen katholischen Engeln in der lutherischen Kirche von Aarhus. Es war ein hinreißender Traum, aus dem sie sich beim Erwachen noch lebhaft an ein großes Glücksgefühl erinnerte, wenngleich sie nur noch wenige Dinge wußte, wie Federrauschen, sanfte, trockene, warme Hände. Nie zuvor hatte sie in einem Traum auch nur das geringste Geräusch gehört. Diesmal also die Federn an ihrem Ohr, schwirrend, und die ganz leichte Berührung eines Lufthauchs an ihrem Gesicht. Schön!
Am nächsten Morgen wurde sie vom Geruch warmer Milch geweckt und von den Stimmen unten, wo man schon mit dem Gepäck zugange war. Sie erhob sich rasch, zog Jacke und Überrock an, kämmte sich, kletterte die Leiter hinunter und trat in die Diele. Während sie in ihre Stiefel schlüpfte, schaute sie durch die halboffene Tür hinaus, wo der Knecht gerade dabei war, die Bauchgurte der Pferde anzuziehen. Sie sah, wie er sich bückte, um eine große behaarte Hand zwischen Gurt und Pferdeleib zu schieben, und wie er sich wieder aufrichtete, um das Geschirr entlang der Deichsel nach hinten zu führen.
In der verlassenen Küche stand ein Teller lauwarmer Brei für sie bereit. Durch die nach Osten gehenden Fenster konnte sie die gerade aufgegangene rote Sonne sehen. Löffelnd, den Teller in der Hand, stand sie da in großer Vorfreude. Sie hatte geschlafen wie ein Murmeltier und nicht einmal gehört, daß die Dachbalken geknarrt hatten, als erwachtensie erneut zum Leben, wie es oft in einer Frühlingsnacht geschieht.
Sie grüßte den Knecht, der gerade hereinkam. Der Mann brummte etwas nicht Unfreundliches zurück.
Sie grüßte Trein Jansdogter, die in bereits zugeknöpftem Mantel gleich hinter ihm ging.
»Guten Morgen«, antwortete diese und musterte kurz die kleine Reisekiste und die Tasche auf dem Tisch. »Hast du alles?«
Sie bejahte und sah die andere unwillkürlich fragend an, als der Knecht bereits ihre Reisekiste und die Tasche ergriff, um beides zum übrigen Gepäck zu tragen.
Trein erwiderte ihren Blick, nicht aber die darin liegende Frage. Sie zupfte sich nachdenklich an der Nase. Erst später am Vormittag würde sie mit einem kleinen Seufzer, einem Lächeln in Richtung des Mannes auf dem Bock, dessen Rücken irgendwie noch immer bedrückt, aber nicht mehr untröstlich wirkte, Antwort geben.
»Och, das hat er nun mal von Zeit zu Zeit.«
Nachdem sie die Rechnung für ihren Aufenthalt beglichen hatten, verabschiedeten sie sich zufrieden von der Bauersfamilie. Auch Elsje hatte einen halben Taler entrichtet.
Schon bald befand sie sich unter demselben Bärenfell und in derselben Schneelandschaft wie eine Woche
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