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Maler und Mädchen - Maler und Mädchen

Titel: Maler und Mädchen - Maler und Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
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Pest geherrscht.
    »Stell dir das vor«, sagte die kräftige blonde, freundliche Frau. »Dreihundert, vierhundert Tote pro Woche!«
    Sie hatten am Küchentisch gesessen und Kalbspansen gefüllt. Zum erstenmal hörte Elsje etwas Ungünstiges über die Stadt ihrer Träume.
    Es sei dort ordentlicher und sauberer gewesen als je zuvor, gab die Köchin weiter, was ihr Neffe ihr erzählt hatte. Sämtliche Dung- und Misthaufen waren aus den Straßen entfernt worden, nirgends lagen mehr Fischabfälle herum, weder auf dem großen Platz vor dem Rathaus noch in den Gassen am Hafen, nirgendwo fand man Blut, Eingeweide oder sonstige Schlachtabfälle, und nirgends sah man Schweine-, Katzen- undHundekadaver in den Grachten. Hunde hatte es sowieso nicht gegeben, hatte ihr Neffe, der die Leidenschaften dieser Stadt kannte, verwundert festgestellt. Selbst die kleinsten Kläffer waren auf Anordnung des Rathauses totgeschlagen worden. Trotzdem hatte überall der Geruch einer tiefen, aufgewühlten Kloake gehangen.
    »Noch ein bißchen«, bat die Köchin, und nachdem das Mädchen mit Daumen und Zeigefingern die Öffnung des Pansens weiter auseinandergezogen hatte: »Das Schiff meines Neffen hatte Glück, als es in Amsterdam einlief, reines Glück wegen den Ochsen. An der Pier nebenan, hat er mir erzählt, lag eine Fleute aus Marseille, deren Besatzung schon vierzehn Tage an Bord festsaß, weil sie Teppiche aus Alexandria transportierten. Nur gut, daß sie eine Geldstrafe aufgebrummt bekamen, als sie ihre Betten an Deck lüfteten!«
    Während sie ein mit Lorbeer geschmortes Ragout in das Organ schöpfte, erläuterte die Köchin, daß die Pest zwar Tiere liebte, allen voran die schwarzen Ratten, nicht aber Ziegen und Böcke und schon gar keine Ochsen.
    Das Mädchen hatte zugehört, genickt. Sie hatte in dieser Nacht sehr gut geschlafen. Auf ihrem Gesicht lag die Abgeklärtheit einer jungen Reisenden, die hört, daß alles gut verläuft, und tatsächlich hatte die Köchin nichts von dem armen sterbenden Tropf vor dem Wirtshaus am Zeedijk erzählt, in dem ihr Neffe mit seinen Kumpanen vom Boot gesessen und getrunken hatte. Der Mann hatte als letzte Geste seines Lebens mit der Hand in Richtung der Matrosen gewinkt, als wolle er ihnen eine Runde spendieren.
    »Es geht klar. Du kannst mit«, hatte Trein Jansdogter Elsje schon nach dem Frühstück erklärt.
    Die Amakerin, die, sobald sie ihren Fuß in dieses Hausgesetzt hatte, jegliches Interesse an etwas anderem als dem Achtmonatsbauch ihrer Nichte verloren hatte, war kurz zu ihr ins Souterrain hinuntergestiegen, nachdem sie mit ihrem Bruder gesprochen hatte.
    »Seine Herde ist noch nicht da, kann aber jeden Moment auf dem Verladeplatz eintreffen. Du wirst dann noch am selben Tag auf einem seiner Schiffe abreisen.«
    Oluv Janszen war mit dem bescheidenen Preis von eineinhalb Talern einverstanden, den seine Schwester als Geste des Abschieds von Elsje – sie würde ihr bei der Abfahrt am Ende der Woche nicht Lebewohl sagen – für die Überfahrt vorgeschlagen hatte.
    An diesem Nachmittag streifte sie den Strandweg entlang, wobei sie in dem tosenden Wind mit beiden Händen mal ihr Kopftuch, mal ihre Röcke festhalten mußte. Weil in der Bucht kein Mast, kein Segel zu sehen war und das Meer sich wilder gebärdete, als sie es je an der Küste, an der sie aufgewachsen war, gesehen hatte, kam es ihr vor, als ob alle Schiffe untergegangen wären. Und nachdem sie einmal ringsum geblickt hatte – auf dem Kopfsteinpflaster lediglich ein Mann mit einer tragbaren Drehorgel –, nahm sie an: mit Mann und Maus.
    Mehr oder weniger aus Pflichtgefühl, da nur für sie allein gespielt wurde, wartete sie, bis der Musikant sein Lied mit kleinen Laufschritten, wie es bei diesen Leuten üblich war, zu ihr getragen hatte. O Carin, Carin, Seelenfreundin … sang sie im Geiste die Worte mit, die durch den Wind hindurch von den Flöten und Pfeifen bei ihr geweckt wurden. Der Orgelspieler, ein hübscher junger Mann, aber leider blind, wie sie jetzt bemerkte, war direkt vor ihr stehengeblieben. Die eine Hand am Instrument, die andere am Radgriff,spielte er ihr die Melodie vor, die schon seit Jahren überall von jung und alt nachgeträllert wurde.
    Als das Lied zu Ende war, machte er nicht die geringsten Anstalten, seinen Hut umgekehrt auf die Erde zu legen, im übrigen hatte sie auch nicht einen Stuiver dabei. Also fragte sie ihn, um ihrerseits doch etwas zu tun, wo um Himmels willen die Schiffe waren!
    »Der Wind ist

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