Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Maler und Mädchen - Maler und Mädchen

Titel: Maler und Mädchen - Maler und Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Vom Netzwerk:
zuvor, und dennoch war alles anders. Am frühen Morgen warf das flache Land ein süßes weißes Licht zum Himmel zurück. Sie konnte so weit sehen, wie sie nur wollte, und das war sehr weit.
    »Gib mir mal eben mein Schnupftuch.« Trein irgendwann, zum erstenmal im Ton einer Herrin.
    »Bitte sehr.«
    Und etwas später: »Steck’s wieder zurück.«
    Sie gehorchte, beugte sich wieder zur Seite und schaute an den Pferden vorbei nach vorn. Konzentriert, mit einem leichten Strahlen. Ihr Gesicht das Gesicht eines Abenteurers, der spürt, daß eine Begegnung bevorsteht, doch mit wem oder was, ist vorerst noch ungewiß. Geraume Zeit vor Mittag sah sie die noch teilweise zugefrorene Fladsaa glitzern, den Fluß, dem sie nur zu folgen brauchten, um in die Hafenstadt Ribe zu gelangen. Dort, das wußte sie genau, lagen die Schiffe mit dem Ziel Niederlande auf der Reede, man brauchte nur eines zu wählen.
    Der Westen hatte bereits die Emaillefarbe eines Seeohrs, und die Luft schmeckte salzig, als die Begegnung stattfand, nach der sie, ohne es zu wissen, Ausschau gehalten hatte. Es war ein Wiedersehen.
    Zuerst ein grauschwarzer Strich in der Ferne. Und ein Wiedererkennenslächeln auf dem Gesicht des Mädchens. Dann, schon bald, mußte der Knecht Pferde und Schlitten sehr vorsichtig durch eine Schiffsladung nach der anderen manövrieren. Große Herden Schlachtvieh bewegten sich im Zuckeltrab zur Küste. Die Tiere, die auf der nördlichen Route hierher getrieben worden waren, sahen ja noch passabel aus, die Ochsen dagegen, die durch die Mitte Jütlands mit seinen armseligen Vorratsscheunen hatten ziehen müssen, waren nur noch Haut und Knochen.
    Trotzdem war ausgerechnet so einer rebellisch geworden. Jedes Herdentier weiß, was es heißt, getrieben zu werden, und diese Cowboys mit ihren schwarzen Ohrenklappenmützen, ihren Peitschen, Steinen und Stricken waren im Prinzip durchaus in Ordnung. Aber eine Hungerdiät? Bei Etappen von zwanzig Meilen pro Tag? Ein Stier, selbst wenner kastriert ist, bleibt ein männliches Rind. Er kann grundlos in Rage geraten.
    Die Pferde hatten gebockt und sich aufgebäumt.
    Die drei Reisenden blickten erschrocken zur Seite. Der Schlitten konnte nirgendwohin. Dicht vor ihnen die dahintrabende Kolonne, links der Fluß.
    »Nicht bewegen.«
    Sehr lang hat es wohl nicht gedauert, das Visavis mit dem Tier, dem klar war, daß es aus war mit ihm, wenn es nicht augenblicklich etwas Schreckliches tat. Bevor der gesenkte Kopf zustoßen konnte, war ein Bursche auf einem Fjordpferd längsseits gekommen. Hohe Töne ausstoßend, stach er mit seinem Treiberstock ein paarmal zu und warf, als das Tier herumsprang, sein Lasso. Der Ochse war ein monumental gebautes Exemplar. Er hatte jedoch so sehr an Gewicht verloren, daß sein Hauptrassemerkmal, die Hörner, wie eine Skulptur für sich zu stehen schienen. Eine zweizackige Heugabel, Spitzen nach außen gedreht, mit einem rührenden Haarbüschel dazwischen. Auch die ziemlich langen Beine des skandinavischen Rinds jener Zeit hatten etwas Eigenartiges, wenn der Physiognomie darüber jegliches Volumen fehlte.
    Bald darauf erreichten sie die an einer Nordseebucht gelegene Stadt Ribe mit ihren sanftkarminroten Häusern. Die Sonne war gerade untergegangen, und von West hatte sich ein aggressiver Wind erhoben. Kaum hatte Trein Jansdogter ihre Pferde vor einem hohen Steingebäude am Ende der Seestraße anhalten lassen, da flog die Tür auch schon auf. Ein Mannsbild in wattierter Jacke stürmte heraus und hob seine Schwester vom Bock.
    In dieser Nacht lag Elsje in einem Bett im Souterrain desHerrenhauses und lauschte dem Wind. In ihrem Kopf sammelten sich die Bilder. Die Augen des Ochsen waren von einem glühenden Orange gewesen, als wären sie nicht im Begriff zu schauen, sondern wollten nur noch orangeglühender werden. Neben ihr auf der hubbeligen kurzen Matratze schlief das Mädchen, das morgens die Feuer entfachte.

17
Sie und die Ochsen
    Der Ochse ist ein pestresistentes Tier. Als Elsje Christiaens am achten April an Bord eines Ochsenschiffs mit Ziel Amsterdam ging, brauchte sie sich keinen Moment zu fragen, ob sie wohl in die besorgte Stadt eingelassen würde. Bereits am Morgen nach ihrer Ankunft im Hause des Reeders und Befrachters Oluv Janszen erfuhr sie einiges über die Situation.
    Die Köchin hatte einen Neffen, der bereits ein paarmal als Betreuer auf so einem Ochsentransport mitgefahren war. Als sein Schiff im vergangenen Sommer in Amsterdam anlegte, hatte dort die

Weitere Kostenlose Bücher