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Maler und Mädchen - Maler und Mädchen

Titel: Maler und Mädchen - Maler und Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
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Messer in der Hand, das an seinem Bein herabbaumelte.
    Und so verschwanden auch die Ränder, Wände, Bäume, einige menschliche Gestalten, bis schließlich, so um die Essenszeit, Vater und Sohn den gesamten oberen Teil entfernten,der mit seiner räumlichen Grandeur nicht nur den Geist dieses einen Bildes geatmet hatte, sondern auch den der Gemälde einer Reihe anderer großer Meister – Leonardo, Tizian, Rubens, Velázquez –, denn Kunstwerke sprechen, wie Menschen, unaufhörlich miteinander und verstummen, wie Menschen, wenn sie mit Metzgermessern bearbeitet worden sind.
     
    Er stand auf der Oude Brug. Unbemerkt war er dort gelandet, und jetzt blieb er stehen, um gedankenverloren auf das Wasser des Damrak zu blicken. Das blickte einige Minuten lang mit einem kalten, grauschwarzen Auge zurück, bis es, wie es sich gehört, zu spiegeln begann und ihm eine auf dem Kopf stehende Stadtansicht zeigte. Links lag eine Reihe von Tjalken aus Hindelopen, fest vertäut am Steg entlang der Rückseite der Warmoesstraat. Im Hintergrund das unvermeidliche Rathaus mit einem Teil der Stadtwaage. Dann, rechts, mit nach Südost flatternden Wimpeln, eine weitere Reihe größerer Schiffe, die einen Liegeplatz am Ufer des Damrak gefunden hatten, der mit Buden, Schenken und Herbergen vollgebaut war.
    Aus einer dieser Herbergen war vor einer Woche das Mädchen gestürmt, dem der Maler an diesem Tag begegnen sollte. Eine Begegnung, die wie alle Begegnungen vor langer Zeit vorbereitet worden war und im Grunde auch schon begonnen hatte. Sie hatte einen ockerbraunen Rock, eine blutbefleckte grüne Jacke und kurze Rentierlederstiefel getragen. Sie war außer sich gewesen. Wie ein tollwütiger Hund stieß sie einen Tisch mit Aalen um, schlug einem Passanten, der sie festhalten wollte, kräftig ins Gesicht, schaute sich ein paarmal um und rannte weiter. Als sie sah, daß sie nicht diegeringste Chance hatte, ihren Verfolgern zu entkommen, war sie in den Damrak gesprungen.
    Sie konnte nicht schwimmen. Das Wasser zog sie wie ein Mahlstrom sofort hinunter. Ihr Rock bauschte sich auf, die Stiefel sogen sich voll, das durch die Nase eingeatmete Wasser bescherte ihr einen Hustenanfall, sie holte tief Luft, holte tief Wasser-Luft und fuhrwerkte wie eine Rasende mit Armen und Beinen herum, denn sie wollte auf keinen Fall sterben. Kein Geschöpf will das, und sie wollte es schon gar nicht. Es gibt Mädchen, die unbewußt und insgeheim wissen, daß sie fürs Glück geboren sind. So eine war sie. Und darin hatte das Leben sie auch rundheraus bestätigt. Welches Mädchen, das bereits sehr früh den Vater verloren hat, trifft es so gut mit ihrer Stieffamilie, einem Vater, einer älteren Schwester und einem Bruder? Und welches Mädchen, dessen Mutter in dieser zweiten Ehe nur noch kurze Zeit leben sollte, knapp drei Jahre, wird daraufhin so von dieser älteren Schwester verhätschelt, daß sie die Wärme der Mutter völlig mit der der Schwester verwechselt? Sie tauchte tatsächlich kurz auf, breitete die Arme aus, verschwand aber würgend erneut in dem ekelhaft schmeckenden Wasser, in dem sich lediglich der kadaverfressende Aal wohl fühlt. Als sie das zweite Mal an die Oberfläche kam, waren da plötzlich zwei Pranken.
    Der Schiffer von der Anna Lien packte sie an den Haaren und am Rückenteil ihrer Jacke und zerrte sie brummend an Deck.
    Er und das Mädchen sahen einander einen Augenblick lang keuchend an.
    »Laß los!« rief sie, denn sie spürte noch immer die Pranke im Haar.
    »Immer mitter Ruh, Meechen«, sagte der Schiffer im Dialekt des Dorfes Zwaagdijk in der Nähe des westfriesischen Enkhuizen.

4
Das Glück machte ihre Persönlichkeit aus
    Zum Beispiel das eine Mal, als sie die Leiter zum Dachboden hinaufgestiegen war, blaß, miesepeterig seit dem Tag, an dem ihre Schwester Sarah-Dina ohne ein Wort verschwunden war, und als sie die Matratze hochgenommen hatte, um sie aufzuschütteln und umzudrehen, und dabei die fünf Taler fand. Es war ein nebliger Morgen Anfang Dezember. Ihre Schwester war schon drei Wochen fort, hatte sich eingeschifft, um von Jütland nach Amsterdam zu fahren und nie mehr zurückzukehren. Das wußte sie, ohne daß jemand es ihr hatte sagen müssen.
    »Die Stadt ist der Wahnsinn, der absolute Wahnsinn, Kleine.«
    Immer öfter und immer sehnsüchtiger gesagt. Zuletzt mit solch entschlossenem Blick, daß man hätte meinen können, sie wisse ganz genau, wovon sie sprach, weil sie schon oft genug da gewesen war.
    »Auf den zwölf

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