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Maler und Mädchen - Maler und Mädchen

Titel: Maler und Mädchen - Maler und Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
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lag das Brennholz, durch eine Plane von den Körben mit Gänsedaunen getrennt. Das Beil hing an einem Nagel im schwarzgeteerten Querbalken über dem bereits gespaltenen Holz.
    Weil der Stiefvater alt war und der Stiefbruder den größten Teil des Jahres auf See, oblag es meist Sarah-Dina, die Buchenstämme unter dem Vordach in Kloben zu sägen und die dann wieder mit energischer Gewalt – ein paar Hiebe mittendurch und dann noch mal und noch einmal, zack! zack! – in vier Teile zu spalten. Inzwischen gab es Tage, an denen Else ihrer Schwester nicht nur bei den Daunen half, sondern auch das ziemlich kleine, schwere Werkzeug vom Nagel nahm und mit Daumen und Zeigefinger prüfend über die Schneide fuhr. Werkzeuge gleichen einander insofern, als sie unbedingt benutzt werden wollen. Arglos steht dieser angenehm in der Hand liegende Gegenstand bereits mit einem anderen in Verbindung, dem von später, dem von dort. Else griff also öfter einmal nach dem Beil, schärfte das drei mal vier Daumen große Blatt eigenhändig an einem verwitterten Fünener Stein und machte sich unter dem Apfelbaum – gar nicht unangenehm – an die Arbeit.
     
    Kurz bevor sie einschlief, hatte sie begriffen, daß es nichts zu begreifen gab. Ihre Stiefschwester, einsam, garstig vor Sehnsucht, hätte sie wegen dieses jungen Mannes am liebsten auf den Mond geschossen.
    Er hatte von elf Uhr an gegenüber dem Verkaufsstand auf dem Vestergademarkt gewartet. Unvernünftig und zudem sinnlos, wie es schien. Normalerweise blieben die Schwestern bis zur Mittagessenszeit, jetzt fragte Sarah-Dina um zwölf: »Wer hat dir erlaubt, den Wagen zu beladen?«
    Else, zwei unverkaufte Kissen vor der Brust, wandte den Kopf zur Seite, blickte ihrer Schwester in die Augen, mit traurigem, feuchtglänzendem Blick, und ging weiter.
    Ragnar stand wie ein Geist vor der Vor Frue Kirke. Er rührte sich nicht.
    »Das Tier hat Durst«, sagte Sarah-Dina, als sie zurückkam. Sie deutete mit dem Kopf auf das Pferd, das zwischen den anderen Zugtieren fünf Meter entfernt an der Mauer des Krankenhauses für bedürftige Alte angebunden war. »Hol mal eben Wasser.«
    Else tat es, brachte den vollen Eimer allerdings nicht zum Pferd, sondern stellte ihn ihrer Schwester so vor die Füße, daß es als Bemerkung verstanden werden konnte.
    Heute nachmittag habe ich Lust, das zu tun, was ich will. Finde dich also einfach damit ab.
    Sarah-Dina schneuzte sich die Nase in ihren Rock und schluckte.
    Als Else auf ihren Verehrer vor der Kirche zuging, sah sie nicht dessen hübsches Gesicht unter der kobaltblauen Filzmütze, sondern das ihrer Schwester vor sich, wie die gerade eben geschlagen aufgeblickt hatte. Und als er sich zu ihr vorbeugte, um ihr vertraulich etwas ins Ohr zu flüstern, hörte sie nicht: »Meine Prinzessin … meine unglaublich schöne« oder etwas Derartiges … sondern lauschte der Stimme ihrer Schwester, die, als sie wieder sprach, einen tiefen Männerton angenommen hatte.
    »Gut. Aber bleib nicht so lange. Ich sag’ daheim, ich hätte dich … ähm … in die Apotheke geschickt.«
    Die beiden gingen einfach los, wobei sie schon bald an der riesigen Domkirche mit ihren grünen Dächern vorbeikamen, in der in diesen Tagen wie überall in NordwesteuropaVerdammnis gepredigt wurde. Er erzählte ihr, daß er sich drei Tage lang wie im Fieber befunden habe, nachdem sie ihn am vorletzten Sonntag, als er in die Kirche kam, angelacht hatte, öffentlich, unheimlich lieb.
    »Doch, wirklich!« sagte er, als sie antwortete, da müsse er sich irren. »Du weißt doch noch. Die Lesung war aus Matthäus 13, also ging die Predigt über die Hölle. Du standst neben dem Weihwasserbecken, diesem Überbleibsel aus der katholischen Zeit.«
    Bestimmt keine schlechte Partie. Seine Familie hatte eine eigene Kirchenbank mit ungehindertem Blick auf das verblüffende Gemälde hinter dem schmiedeeisernen Chorgitter, zu dem die Blicke der Gemeinde während der Predigt immer wieder wanderten. Große, kräftige Engel mit papistischen Gesichtern, wie sie vor einigen Jahrhunderten üblich waren, nahmen heimlich den Dialog mit den kühlen Worten des Matthäus auf. Zünde eine Kerze an, raunten sie. Beichte. Es gibt keine Schuld der Welt, bei der sich vor dem allmächtigen und, wie jeder weiß, nicht erkennbaren Gott nicht irgend etwas machen ließe. Wer einen Ablaß kauft, ist der göttlichen Wahrheit immer noch näher als der, der sich in der Nase bohrt.
    Durch kleine Gassen waren die beiden zum Hafen

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