Malerische Morde
ohne dass sie dabei beobachtet wurden. Es konnte natürlich sein, dass sie von Spaziergängern gesehen wurden, aber das konnte ihnen an jeder anderen Stelle genauso passieren.
Er fuhr über Dreis-Brück und Niederehe. Als sie durch Kerpen fuhren, schwitzte Wallraff Blut und Wasser. In den engen Straßen des kleinen Dorfes begegneten ihnen zahlreiche Fußgänger, die, wie das nun einmal in allen Eifeldörfern üblich war, jedes ortsfremde Auto aufmerksam musterten.
»Das wäre doch die pure Ironie!«, sagte Wallraff mit einem gequälten Lächeln. »Hier in Kerpen, wo auf der Burg der alte von Wille die Pinsel geschwungen hat, müssten sie uns schnappen. Stellt euch das mal vor, Leute!«
Sein Beifahrer verzog keine Miene und starrte aus dem Fenster. Auf dem Rücksitz steckte sich Vaclav eine Zigarette nach der anderen an.
Ihr Problem war die Zeit.
Sie hatten zu viel davon.
Anstatt zu jammern, dass ihnen viel zu wenig Zeit blieb, machte sie der Gedanke mürbe, dass sie das Bild erst am nächsten Abend übergeben konnten.
Im Kreisverkehr bei Wiesbaum wäre Wallraff beinahe mit einem Auto kollidiert, das aus dem Gewerbegebiet kam.
Wallraff blickte wieder panisch in den Rückspiegel. Warum, zum Teufel, beunruhigten ihn diese Vögel bloß so?
Er
war es schließlich, der
sie
engagiert hatte. Er war der Boss. Oder, wie lief das hier?
Er hatte vor, redlich mit ihnen zu teilen.
Es würden sechzigtausend Euro werden. Jeder von ihnen bekam zehntausend. Das war eine Menge Kohle für Typen dieses Zuschnitts.
»Noch ein läppischer Tag mehr, Jungs! Und dann machen wir ein Fass auf, was?«, sagte er, bevor er links abbog. »Und dann … Wein, Weib, Gesang! L’amour, mes amis! L’amour! Wie fandet ihr mein Französisch?«
Die beiden schwiegen und auch er verstummte.
Schließlich gelang es ihnen, sich über Feldwege dem Ort von Süden her zu nähern. Das erste Haus auf der rechten Straßenseite war ihr Ziel. Sie waren bis hierher keiner Menschenseele begegnet. Der Mercedes bog in eine verwilderte, unbefestigte Einfahrt ab und stand wenige Augenblicke später mit leise dieselndem Motor vor dem alten Holztor des Garagenanbaus. Der Ossi sprang heraus und drehte den Griff. Mit einem Quietschen schwang das Tor nach oben. Allen lief bei dem schrillen Geräusch, das die dörfliche Stille zerriss, ein kalter Schauer über den Rücken.
In diesem Moment setzte irgendwo in nicht allzu weiter Entfernung ein Rasenmäher ein.
Wallraff rollte nach vorne, hinein in das schützende Halbdunkel der Garage.
Elftes Kapitel
Ein Traktor bahnte sich mit lautem Geknatter seinen Weg durch den alten Ortskern von Walsdorf. Auf dem angekuppelten Anhänger hockten ein paar grölende junge Männer, die Bierflaschen schwenkten. Aber sie waren nicht alleine auf der Ladefläche. Ein Dutzend Toilettenschüsseln mit zweifelhaftem Design, die der wechselnden Sanitärmode zum Opfer gefallen waren, warteten auf ihren Einsatz.
»Das hat der nicht anders verdient!« Wolfi grinste breit und legte seinen Arm um Ulrikes Schulter. Wie ein Kätzchen schmiegte sie sich an ihn. Herbie betrachtete die beiden verstohlen. Sie sahen wirklich sehr glücklich aus. Und dennoch stand er dem Idyll skeptisch gegenüber, denn Ulrikes Liebschaften war in der Vergangenheit nie allzu lange Dauer beschieden gewesen. Ob es dabei an ihr oder an ihren Partnern gelegen hatte, war ihm nie ganz klar gewesen.
»Der Steff war früher die größte Sau, wenn irgendwo Polterabend war. Und heute kommt der Tag der Vergeltung, wirste sehen.«
Tatsächlich war vor dem Wohnhaus von Steffs Auserwählter, Birgit, schon jetzt ein beachtlicher Haufen Unrat entstanden, der nicht nur von dem traditionell zu zerschmetternden Porzellan herrührte. Tonröhren und alte Kacheln, Blumentöpfe und Dachziegel waren bereits in rauen Mengen den Weg alles Irdenen gegangen. Dabei war es noch nicht einmal acht Uhr, und es war kein Ende in Sicht. Die gesamte Jugend des Ortes und der umliegenden Dörfer schien seit Monaten auf diesen Abend hingearbeitet zu haben, um es »Steff« so richtig heimzuzahlen.
Der Polterabend bot dazu die passende Gelegenheit. Der Abschied eines Paares von der unchristlichen Zeit des Zusammenlebens ohne Trauschein wurde in der Eifel mit einem Ritual gekrönt, das je nach Renommee des Paares mehr oder weniger ausufernd begangen wurde.
Harmlos war in dieser Region der traditionelle Auftakt mit ohrenbetäubendem, aber gleichwohl harmlosem ›Schleifen‹. Dazu wurde ein großes Rad
Weitere Kostenlose Bücher