Malerische Morde
Mann mit langen Haaren und enormen Koteletten.
»Das war ein Atelierfest in Kronenburg. Wir hatten sehr oft Freunde zu Besuch«, seufzte Frau Delamot. »Schauen Sie auf die Staffelei im Hintergrund, bitte.«
Herbie beugte sich zu dem Bild hinunter und betrachtete es intensiv. Auf der Leinwand, die auf der Staffelei positioniert war, war ein Akt zu erkennen. Eine kniende, schlanke, junge Frau, soweit er das ausmachen konnte. Möglicherweise war es die erste Frau Delamot. Von der Anmutung her hätte es durchaus auch Deborah sein können, aber das war unmöglich. Delamot schien seinem Geschmack treu geblieben zu sein.
»Sind Sie das?«, fragte Herbie und zog fragend die Augenbrauen hoch.
Frau Delamot nickte. »Das Foto ist Anfang der Siebziger aufgenommen worden. Das Gemälde ist allerdings schon viel älter. Es war Hermanns Lieblingsbild. Abgesehen von einigen seiner Landschaftspartien. Ich glaube, dass er nie wieder einen Akt von solcher Qualität geschaffen hat. Hermann war kein guter Menschenmaler. Bei Professor Peiner in Kronenburg hat er ja nur an diesen Monumentalschinken mitwirken dürfen. Das mussten alle in der Malerschule in Kronenburg. Hermann durfte immer nur Büsche malen. Jede Menge Sträucher und Bäume. Er war der Jüngste, der damals in der Schule aufgenommen wurde. Sechzehn war er damals. Wer weiß, was alles aus ihm geworden wäre, wenn er nicht in den Krieg gemusst hätte. Das hat er mir später immer wieder gesagt. ›Der Peiner, das war ein Könner‹, sagte er immer. Die politische Richtung vom Professor, die hat ihn immer geärgert. Die beiden haben sich auch nach dem Krieg nie mehr wiedergesehen.«
Herbie tippte auf die Fotografie. »Wo ist das Bild jetzt?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Als wir uns trennten, war ich zu stolz, ihn darum zu bitten. Er hätte es mir sicherlich gegeben, daran besteht gar kein Zweifel. Schließlich zeigt es mich ja völlig unverhüllt. Wahrscheinlich ist es jetzt in Mirbach. Möglicherweise hat Debbie es aber auch verbrannt. Ich traue ihr alles zu.«
»Verstehe.«
Frau Delamot griff plötzlich über den Tisch hinüber nach Herbies Hand und presste sie ganz fest. Er blickte für den Bruchteil einer Sekunde irritiert zu Julius hinüber.
»Herr Feldmann, ich bitte Sie: Wenn Sie weiterhin versuchen wollen, etwas über den Tod meines … über Hermanns Tod herauszufinden, bitte, bitte lassen Sie nicht außer Acht, dass diese Debbie eiskalt ist. Dieser Frau ist alles zuzutrauen. Und noch etwas: Halten Sie die Augen auf. Sollte Ihnen dieses Bild begegnen, lassen Sie es mich bitte wissen.«
»Ich soll Ihnen Ihr Gemälde wiederbeschaffen?«
Sie wand sich. »Nicht direkt. Es gehört mir nicht … von Rechts wegen. Aber ich würde alles darum geben, wenn es sich wieder in meinem Besitz befände. Alles, verstehen Sie?«
Herbie verstand.
Zehntes Kapitel
Wenig später saßen er und Julius wieder in Köbes’ rotem Kombi und wendeten umständlich auf dem Parkplatz des Hotel Panorama. Die Kreisstadt Daun lag ihnen zu Füßen.
»Diese arme Frau«, sagte Herbie ächzend, während er das Steuer einschlug und zurücksetzte. »Mann, das geht ja schwerer als bei ’nem LKW.«
Sie hat dein Herz berührt, nicht wahr?
»Sie tut mir einfach leid. Diese Debbie ist ein richtiges Luder, Julius. Ich wette, der bereitet es eine diebische Freude, dass ihre Vorgängerin kein einziges Fitzelchen Leinwand bekommen hat.«
Du hast dir doch nicht ernsthaft in den Kopf gesetzt, ihr dieses Nackedeibild zu beschaffen?
»Da fühle ich mich bei der Ehre gepackt, Julius! Das verstehst du doch.«
Ehre!
Julius kicherte amüsiert.
Herbie hatte jetzt endlich sein Wendemanöver beendet und rollte talwärts.
Korrigiere mich, wenn ich das falsch sehe, mein Teuerster, aber waren wir bis vorhin nicht noch auf Mördersuche?
»Das siehst du richtig, aber man kann ja auch durchaus das eine tun, ohne das andere zu lassen – oder?«
Nun gut. Ich bin ja nur froh, wenn ich Bescheid weiß
.
»Jetzt werden wir erst mal diesen Polterabend besuchen. Lust habe ich dazu eigentlich überhaupt keine. Aber vielleicht hat Ulrike ja Recht, und wir erfahren etwas über diese Nati. Der Alkohol wird diesen Eifelern schon den Mund öffnen.«
Bei dir reichen da ja schon Kaffee und Kuchen
.
Sie hatten das Bild in einem Waldstück bei Rengen vom Keilrahmen getrennt und hatten damit begonnen, es um eine große Pappröhre herum aufzurollen.
Keiner der beiden hatte einen Blick für die Schönheit des Kunstwerkes
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