Malerische Morde
einfach nicht in den Kopf hinein.
»Ich kenne dieses Häuschen in Mirbach«, sagte sie und kramte in ihrer Handtasche. »Hermanns Schwester war ein liebenswertes Geschöpf. Nur Garten und Haushalt, sonst gab es für Irmchen nichts. Nur Schufterei. Jetzt hat sie sich ihre Ruhe redlich verdient. Ich muss unbedingt ihr Grab besuchen.« Zu Herbies Überraschung förderte sie ein kleines silbernes Zigarettenetui zutage, öffnete es und entnahm ihm eine filterlose Zigarette. Sie lächelte Herbie verlegen an. »Mein einziges Laster.«
Hast du gehört, mit welchem Timbre in der Stimme sie dieses Wort ausspricht? Aber du hockst ja nur da und schaufelst Kuchen in dich rein
.
Sie steckte die Zigarette zwischen die gespitzten Lippen und entzündete sie mit einem Streichholz. Es sah sehr ungeübt aus.
»Ich habe immer welche bei mir. Wenn ich sehr nervös bin, stecke ich mir eine an. Ich bilde mir ein, dass es mir hilft, mich zu beruhigen.«
»Sind Sie jetzt nervös?«, fragte Herbie unschuldig.
»Ich werde den Gedanken daran nicht los, dass Debbie hinter dem Tod von Hermann stecken könnte. Ich bin in den letzten Tagen zu der Überzeugung gekommen, dass sie wirklich ein schlechter Mensch ist.«
»Was veranlasst Sie, das zu denken?«
»Wissen Sie, es hat nichts damit zu tun, dass sie es war, für die er mich verlassen hat. Das ist Vergangenheit. Damit habe ich längst abgeschlossen. Nein, es ist etwas ganz anderes, das mich wirklich wütend macht. Als ich von Hermanns Tod erfuhr, habe ich bei ihr angerufen. Ich war entsetzt darüber, wie gewaltsam er zu Tode gekommen ist, und unter welch seltsamen Umständen. Das Mädchen und so …« Sie paffte eine Qualmwolke in die Höhe. »Ich wollte Debbie nur erklären, dass ich wirklich mit ihr fühle, aber sie hat mich am Telefon gleich übel beschimpft. Ich glaube nicht, dass ich das verdient habe.«
»Beschimpft? Weshalb denn?«
»Sie glaubte, ich sei hinter den Bildern her. Sie glaubte im Ernst, ich hätte die Gelegenheit von Hermanns Tod genutzt, um ein paar seiner Gemälde zu schnorren.« In ihre Augen traten Tränen. »Wissen Sie, ich bin froh, dass ich das jemandem erzählen kann. Der Polizei könnte ich das mitteilen, aber die wüssten ja doch nichts damit anzufangen. Das ist so wenig greifbar, verstehen Sie? Es ist nur so ein völlig vager Verdacht.«
Herbie schob nachdenklich ein Bröckchen Marmorkuchen auf seinem Teller hin und her. »Wenn Sie mich fragen, ich könnte verstehen, wenn Sie Ihren Anteil an seinen Bildern einfordern würden. Sie haben lange genug mit ihm gelebt. Sie haben ihn gefördert. So, wie es eine Ehefrau tut, die einem Mann den Rücken freihält.«
»Aber das will ich doch gar nicht!«, rief Frau Delamot verzweifelt. »Hermann hat damals entschieden, dass seine Bilder bei ihm blieben. Alle. Wenn er sie mir hätte geben wollen, hätte er es zu Lebzeiten getan. Sie soll doch damit tun und lassen, was sie will. Stiften, verkaufen, ein Museum einrichten … Das soll mir alles recht sein.« Sie pustete noch einmal Qualm gegen die Decke des Speiseraums und drückte dann wütend den Stummel im Aschenbecher aus. »Sein Name steht drauf. Auf jedem einzelnen. Egal, wohin diese Bilder auch wandern werden. Es werden immer Hermanns Werke sein.« Plötzlich liefen ihr ein paar Tränen über die Wangen, und sie begann verzweifelt, in ihrer Handtasche nach einem Taschentuch zu suchen. »Entschuldigen Sie.«
Herbie fühlte sich sehr hilflos. Er war froh darüber, dass Julius sein letztes bisschen Anstand zusammengenommen hatte und die Szenerie nun schweigend von einem Platz in der Nähe des Fensters aus beobachtete.
Frau Delamot schnäuzte sich in ihr Taschentuch und fuhr stockend fort. Sie hatte noch etwas anderes hervorgeholt, das Herbie als eine Fotografie erkannte.
»Wenn diese Frau nur einen Hauch von Mitgefühl hätte …« Sie legte das Bild vor Herbie auf den Tisch. Es war eine Schwarzweißfotografie. Er erkannte Delamot. Das Haar war noch pechschwarz. Die Frau an seiner Seite musste seine erste Frau sein. Sie war sehr schön. Das Haar war lang und lockig.
Als Herbie den Kopf hob und sein Gegenüber musterte, erkannte er die Ähnlichkeit. Sie war auch heute immer noch schön. Nur auf eine viel reifere Art. Die Personen auf dem Foto befanden sich offensichtlich in einem Künstleratelier. Es gab eine Staffelei und ein Regal mit Töpfen, aus denen Unmengen von Pinseln herausragten. Die Personen lachten. Neben Frau Delamot stand noch ein kleiner, dicker
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