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Malerische Morde

Malerische Morde

Titel: Malerische Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Kramp
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würde.
    »Gleich kommt das Wasser«, sagte Wolfi strahlend.
    »Wasser?«, fragte Ulrike.
    Ein Wasserschlauch aus dem Nachbargarten sprühte eine riesige Fontäne in die Luft, und alles schrie entsetzt auf. Das Ganze dauerte nur ein paar Sekunden, aber es war genügend Flüssigkeit geflossen, um die Biermanschetten und das Toilettenpapier fest zu pappen, wo auch immer es sich befand.
    Bei Herbie konnte all das keine Heiterkeit hervorrufen. Er hing seinen eigenen Gedanken nach.
    »Geh nur zwei Straßenecken weiter. Da steht ein altes Backsteinhaus auf der rechten Seite«, sagte Wolfi in diesem Augenblick gänzlich beiläufig. »Da ist ein Ehepaar, das heute Abend nicht mitfeiert. Das sind die Eltern von der Nati. Da kannst du mal sehen, was dieses Arschloch angerichtet hat. Das ist das blanke Elend.« Wolfi stürzte sein Bier hinunter und begrüßte dann lautstark ein paar Neuankömmlinge, die mit vier Schubkarren anrückten, auf denen ein beängstigend voluminöser Inhalt mit Plastikfolien abgedeckt war.
    Bist du nicht traurig, dass du noch nicht einmal etwas besitzt, das du hier zertrümmern könntest? Deine alte Gartenliege wäre doch passend gewesen, oder?
    Herbie überlegte einen Moment, ob er sein Bierglas an der Theke abstellen sollte, hatte aber Angst vor den Folgen und behielt es vorsichtshalber in der Hand.
    So unauffällig wie möglich schlich er sich davon. Aus den Augenwinkeln heraus beobachtete er, wie sich drei junge Damen einen Spaß daraus machten, bunte Wattebäusche gegen die weiße Hausfassade zu werfen, die sie vorher in Wasser getaucht hatten.
    Julius deutete missbilligend auf das Glas in Herbies Hand und sagte:
Hat man dir das in München beigebracht? Du siehst aus wie ein Quartalssäufer
.
    Als Herbie das Glas im erstbesten Hauseingang abstellen wollte, wurde die Haustür geöffnet, eine Oma blickte ihn erstaunt an, und er suchte schnell das Weite.
    Der Backsteinbau, den Wolfi ihm beschrieben hatte, vermittelte einen trostlosen Eindruck. Herbie war sich beinahe sicher, dass dieses Haus schon immer eine gewisse Art von Traurigkeit ausgestrahlt hatte, und nicht erst seit dem Tod der Tochter. Von innen wuchsen schwielige Kakteen gegen die alten Sprossenfenster, deren Lack grau und brüchig war. Im linken Fenster des Erdgeschosses brannte ein Licht, und Herbie konnte von seinem Platz auf der anderen Straßenseite aus eine nackte, kreisrunde Neonröhre ausmachen, die an der Zimmerdecke angebracht war, die Gardinen waren alt und vergilbt. Es gab ein großes Hoftor, das ehemals grün angestrichen gewesen sein mochte, und das ganze Gebäude wirkte nicht eben verwahrlost, aber doch heruntergewirtschaftet und vernachlässigt. Hier war also bis vor kurzem ein junges Mädchen zu Hause gewesen.
    Nicht gerade einladend, was, mein Teuerster?
    »Nein, Julius, wirklich nicht gerade einladend.« Herbie trank sein Glas leer. »Ich brauche die Eltern gar nicht zu sehen, ich kann sie mir vorstellen, wie sie dasitzen, über den Küchentisch gebeugt, schweigend …«
    Eine Weile stand er nachdenklich da und betrachtete das Haus. Langsam kroch die Dämmerung heran.
    »Und was soll das nützen?«, fragte plötzlich eine Stimme hinter seinem Rücken. Herbie schrak zusammen und fuhr herum.
    Zuerst erkannte er den jungen Mann nicht. Er war sich zwar sicher, ihn schon einmal irgendwo gesehen zu haben, aber er konnte sich nicht erinnern, wo das gewesen sein mochte.
    »Was soll
was
nützen?«, fragte Herbie unsicher. Der Mann hatte einen ehrlichen, offenen Blick und fixierte ihn neugierig mit seinen strahlenden, blauen Augen.
    »Die Schnüffelei … Ihre Neugier. Was auch immer Sie hierher treibt. Das macht dieses Mädchen auch nicht wieder lebendig.«
    »Sie sind doch dieser Polizist«, sagte Herbie. Er erinnerte sich in diesem Moment an ihr erstes Zusammentreffen vor dem Dauner Polizeigebäude und an das darauf folgende, unangenehme Gespräch im Autohaus.
    »Luxen«, sagte der junge Mann und reichte Herbie langsam die Hand. »Jörg Luxen. Ich bin auch zu Gast auf dem Polterabend. Privat, in Zivil … Ohne Uniform erkennt man unsereinen manchmal kaum wieder. Wir wohnen im Nachbarort, in Rockeskyll, meine Freundin und ich. Sie sind nur deswegen hier, stimmt’s?« Er deutete auf das Haus auf der anderen Straßenseite.
    Herbie nickte. »Wie ich Ihnen gestern schon sagte: Ich bin sicher, dass mein Freund unschuldig ist.«
    Luxen seufzte tief. »Eigentlich dürfte ich Ihnen das gar nicht erzählen, aber es könnte durchaus

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