Malerische Morde
die gleiche Qualität zu haben, wie das, was er im Schlafzimmer in Augenschein genommen hatte. Die ganze Ausstattung im Flur hatte etwas regelrecht Museales.
Das Wohnzimmer, in das er nun zaghaft hineinblickte, zeugte schließlich davon, dass hier gelebt und gearbeitet worden war.
Die Staffelei thronte vor dem Fenster wie ein Altar.
*
In Walsdorf war das Bier alle. Bei einem Getränkehändler, den man per Handy aus dem wohlverdienten Schlaf gerissen hatte, wurden weitere Fässchen geordert. Als er hörte, dass es um Steff und seinen Polterabend ging, machte er keine Zicken und erklärte schadenfroh, es solle schnell jemand vorbeikommen und das Zeug abholen.
Wolfi hielt sich unterdessen an der Stange des Bierpavillons fest und hatte seine Schlagzahl deutlich gesenkt. Sein kritischer Pegel war beinahe erreicht.
Ulrike, die sich schon vor zwei Stunden rigoros verweigert hatte, nippte an ihrer Cola und betrachtete ihren Gefährten mit wachsender Skepsis. Nicht ein einziger Tanz war an diesem Abend für sie herausgesprungen, und Wolfi hatte fortwährend irgendwelchen Frauen hinterhergestarrt, die er »noch aus dem Sandkasten kannte«, wie er es immer empört formulierte, wenn er ihrem wütenden Blick begegnete.
»Arme Sau«, lallte er und legte den Arm um Willems’ Schulter. »Morgen musst du arbeiten. Und die Uli und ich, wir bleiben den ganzen Tag im Bett.« Er versuchte ein wollüstiges Lächeln, was gründlich danebenging.
Willems seufzte. »Bei uns ist die Hölle los. Bilderklau, Mord … Ich könnt kotzen.«
»Arme Nati«, brummte Wolfi. »War nicht schön, aber immer gut drauf.« Ihm entschlüpfte ein vieldeutiges Grinsen.
»Kanntest du die vielleicht auch noch aus dem Sandkasten?«, empörte sich Ulrike. Ihre Stimmung verschlechterte sich von Minute zu Minute.
Wolfi winkte ab. »Ruhig Mädchen, ruhig. Die Nati hat bei uns in der Klinik geputzt. Schon vergessen? Außerdem war das ’ne andere Altersklasse als unsereins.« Er deutete mit dem Daumen über seine Schulter zu den jungen Leuten, die trotz der vorgerückten Stunde noch erstaunlich munter waren und sangen. »Von denen hat der ein oder andere bestimmt schon seine Erfahrungen mit der gesammelt.«
Ulrike zischte empört: »Nati ist tot. Lass das.«
Aber Wolfi war über den reichen Alkoholkonsum offensichtlich seines Taktgefühls völlig verlustig gegangen. »Die Nati, die hat ja irgendwie mit allen … Mit miiir natürlich nicht!«, schob er rasch dazwischen. »Aber auf der Kirmes in Hillesheim, da hab ich sie gesehen. Dein Jörg, der hat ganz schön mit der rumgemacht.« Er fuchtelte Willems mit dem Finger vor der Nase herum.
»Lass den Jörg in Ruhe. Der ist vergeben, der hat so was nicht nötig«, knurrte Willems und trank seine Cola leer. »Ich geh jetzt.«
»Du tust immer so, als wär der Junge ein Heiliger. Nur, weil der mit dir in der Bullenschaukel rumgondelt.«
»Halt dein Maul, du bist besoffen«, sagte Willems barsch, so, als sei er im Gegensatz dazu stocknüchtern und vollkommen bei Sinnen.
»Die hat doch nun wirklich mit jedem rumgemacht und mit dem alten Sack am Maar auch«, kicherte Wolfi und stieß Ulrike fort, die ihn am Arm zog, um ihn zum Gehen zu bewegen. »Und mit deinem Jörg auch! Hundertprozen …« Und dann brach er zusammen, riss noch ein paar Biergläser mit in die Tiefe, und Ulrike brach vor lauter Wut und Enttäuschung in Tränen aus.
Willems betrachtete erstaunt seine Faust, die er bereits geballt hatte, um das besoffene Großmaul zum Schweigen zu bringen.
Vierzehntes Kapitel
Um die große hölzerne Atelierstaffelei herum war alles arrangiert wie für ein üppiges Stillleben. Der Stuhl, die Tischchen und Regälchen, die überquollen vor Gläsern und Pinseln, vor Farbtuben und Kästchen und Lappen. Ein intensiver Geruch von Leinöl und Terpentin hing in der Luft.
Auch in diesem Zimmer zog Herbie rasch die Vorhänge zu. Vor dem Fenster, das in die Stirnseite des Hauses eingelassen war, stand ein Tisch, auf dem allerlei Arbeitsgerät verstreut lag. Auch hier Pinsel und Papierbögen, Bleistifte und Kohlestücke.
An der Wand neben dem Fenster war ein Blatt Papier festgeheftet, das seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Ein Dutzend Signaturen war dort zu erkennen. Ausschnitte aus Zeichnungen und Gemälden, wie er am Hintergrund der etwa briefmarkengroßen Schriftproben erkennen konnte. Er las: »F.v.W.«, auf dem nächsten »Fritz v. Wille« und an anderer Stelle wieder: »F. v. W.«, etwas schwungvoller im Strich,
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