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Malerische Morde

Malerische Morde

Titel: Malerische Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Kramp
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etwas leichter in der Linienführung, aber immer wieder »F. v. W.« Auf dem Tisch lag ein ähnliches Blatt. Dieselben Signaturen, auf einem kopierten Blatt mit dunkelgrauen Rändern. Dort lag auch ein Ordner, den er mit spitzen Fingern aufschlug. Er las auf dem Registerrand Namen, die er noch nie gehört hatte: »Prüssen«, »Rasenberger«, »Inden«.
    »Degode«, der kam ihm bekannt vor. Gab es da nicht bei Tante Hettie so ein Riesengemälde?
    »Was hat das alles zu bedeuten, Julius?«
    Ratlos blickte er zu Julius hinüber, der vor einer Staffelei stand und in die Betrachtung des Keilrahmens mit der aufgespannten Leinwand versunken war.
    Als Herbie an seine Seite trat, musste er schlucken.
    Die Farben waren prachtvoll, der Himmel dramatisch. Das strahlende Gelb des Ginsters rahmte einen Wiesenflecken im Zentrum des Bildes ein, auf dem eine nackte junge Frau ihre üppigen Reize den Sonnenstrahlen entgegenstreckte, die in silbrigen Bahnen durch die Wolken in die Landschaft rieselten.
    Das Bild war fast fertig, wie es schien. Herbie hegte keinen Zweifel daran, dass es sich um Nati handelte.
    Julius und er blickten sich an und schwiegen ernst.
    Der alte Wohnzimmerschrank quoll über vor Papieren und Skizzenblöcken. An den Wänden entlang waren Unmengen gerahmter und ungerahmter Gemälde gestapelt, und Herbie verließ der Mut. »Wo soll ich nur suchen, Julius? Das Bild kann doch überall sein. Wer weiß, was er auf dem Dachboden verstaut hat.«
    Deine Ehre, mein Freund! Deine Ehre!
    »Ach, lass mich doch damit in Ruhe!« Mutlos schob Herbie eine der Glasscheiben des Schrankes beiseite und zupfte eine Zeichnung aus dem Stapel heraus. Er runzelte die Stirn. Bei dem nächsten Blatt wurde dieses Stirnrunzeln nicht geringer. »Unser begnadeter Herr Delamot scheint einer gewissen Altersgeilheit anheimgefallen zu sein.« Die Skizzen zeigten Brüste und gespreizte Beine, festgehalten in Kohle. Immer wieder schien es sich um Nati zu handeln. Eine liebevolle Betrachtung oder irgendeine Emotionalität allerdings ließen all diese Skizzen und Kritzeleien völlig vermissen. Auch das Bild von Nati, wie sie ihren nicht besonders wohlgeformten Körper in der Ginsterblüte zur Schau stellte, wirkte nicht anders. Kühl und distanziert. Alles wirkte analytisch, ja, geradezu sezierend, als habe Delamot sich daran gemacht, keinen Millimeter des Mädchens unentdeckt zu lassen. Aber es war eine Entdeckungsreise um der Haut und des Geschlechts willen. Dies waren nicht die Bilder eines Künstlers, der seinem Modell verfallen war.
    »Wen haben wir denn da?« Herbie pfiff leise durch die Zähne. Er betrachtete eine Rötelzeichnung zweier Mädchenleiber. Die unförmige Nati lag ausgestreckt neben der schlanken, fast dürren Anja.
    Das ist unser kleiner Gelbschopf, gar kein Zweifel. Das erkennt man trotz Rötelstift
.
    Herbie konnte die Auffassung von Ingrid Delamot nicht teilen, dass ihr früherer Ehemann als Portraitist nichts getaugt haben sollte. Auch wenn die Gesichtszüge das Unwichtigste bei diesen Arbeiten waren, hatte Delamot sie klar und sicher festgehalten.
    Aus dieser Sitzung war ein ganzes Bündel von Skizzen hervorgegangen. Auch Anja hatte sich zu einigen besonders pikanten Posen hinreißen lassen. Eine dieser Zeichnungen, bei der die Darstellung des Gesichts besonders gut gelungen war, faltete Herbie respektlos zusammen und ließ sie in seiner Hosentasche verschwinden.
    Dekoration fürs trostlose Eigenheim? Ein besonders künstlerischer Spindschmuck?
Julius schüttelte missbilligend den runden Kopf.
    »Ein Beweisstück«, sagte Herbie und steckte gleich noch eine Fotokopie der Von-Wille-Unterschriften ein.
    »Was mag das alles wert sein?«, fragte Herbie und beschrieb eine vage Handbewegung in Richtung der Bilderstapel.
    Egal, was es wert ist, unsere Eisprinzessin wird es schon zu Gold machen
.
    »Ob die Polizei das schon alles unter die Lupe genommen hat? Das muss doch Unmengen von Zeit kosten, hier nach Indizien zu suchen.«
    Wie um das vorzuführen, begann Herbie völlig ziellos, ein paar der hintereinander gestapelten Gemälde durchzuschauen. Es gab Burgen im Winter und Burgen im Herbst, es gab die Dolomitfelsen bei Gerolstein in sämtlichen Jahreszeiten und es gab eine stattliche Anzahl von Dünen und Meeresbrandung.
    »Wo würde er den Akt seiner geschiedenen Frau hinstellen? Immer vorausgesetzt, er hat ihn überhaupt noch in seinem Besitz. Vielleicht hat ihn ja schon längst irgendein Trödler aus dem Sperrmüll gefischt und

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