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Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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erzähle,
     wie Fulbert seine Nacht verbracht hat!«
    Erschrocken protestiere ich. »Du wirst es ihnen nicht sagen!«
    »Und warum nicht?« fragt Meyssonnier. »Sie haben das Recht, es zu wissen, findest du nicht?«
    Das ist richtig, sie haben das Recht, zu wissen, wie sie betrogen worden sind. Vor allem Colin, der doppelt betrogen wurde.
    »Und ich werde es sogar Jacquet sagen«, fügt Meyssonnier, die Fäuste ballend, hinzu. »Der Leibeigene hat die gleichen Rechte
     wie wir.«
    Ich erhebe nochmals Einspruch.
    »Erzähl es meinetwegen Colin«, sage ich, »aber nicht Peyssou. Oder warte, bis Fulbert weg ist. Du kennst Peyssou, er ist imstande,
     ihm in die Fresse zu schlagen.«
    »Und er täte gut daran«, sagt Thomas verbissen.
    Kein Wort über Miette, nicht einmal ein Gedanke daran, sie zu tadeln, sondern im Gegenteil die Gewißheit, daß der heimtückische
     Fulbert des armen Mädchens Gefühl für Pflicht und Gastfreundschaft mißbraucht hat. Ich bin sicher: Wenn ich vorschlüge, Colin,
     Peyssou und Jacquet auf der Stelle wecken zu gehen, bei Fulbert die Tür einzurennen und ihn samt seinem Esel hinauszuwerfen,
     würden sie den Vorschlag mit Beifall begrüßen. Da ich diese Szene auf keinen Fall erleben möchte, begnüge ich mich damit,
     von ihr zu träumen. Und als ich mir vorstelle, |251| wie die sechs betrogenen Ehemänner in das Zimmer stürzen und den Liebhaber ihrer Frau verprügeln, fange ich zu lachen an.
    »Da gibt es nichts zu lachen«, sagt Meyssonnier streng.
    »Weißt du«, sage ich, »dann geh schlafen. Was geschehen ist, ist geschehen.«
    Die beschwichtigende Binsenwahrheit bleibt ohne Wirkung auf ihn – auf sie, sollte ich sagen, denn Thomas ist ebenso wütend.
    »Was mich anwidert«, sagt Meyssonnier, »ist der Gedanke, daß er das Gebrechen der Kleinen auszunützen versucht hat. Er hat
     sich gesagt: Sie ist stumm, sie wird es nicht verraten. Und da soll ich mir morgen auch noch seine Messe anhören, nur um dabeizusein,
     wenn er all diese Blödheiten über die Sünde verzapft, während ich doch weiß, was ich weiß! – Na, dann gehe ich eben schlafen«,
     schließt er, als er meine ungeduldige Miene bemerkt.
    Und er macht den Rücken krumm und geht. Damit Thomas still bleibt, bewahre ich, während ich mich ausziehe, ein verschlossenes
     Gesicht. Ich nehme die Angelegenheit nicht tragisch. Fulbert ist kein Priester. Und selbst wenn ein Priester mit einer Frau
     schliefe, warum nicht? Und tut er’s im verborgenen, der arme Teufel, dann soll er es mit seinem Gewissen abmachen.
    Daß uns Fulbert Miette für eine Nacht stibitzt hat, trage ich ihm nicht nach. Morgen werde ich den Vorfall schamlos gegen
     ihn ausnutzen, doch aus anderen Gründen. Weil ich nämlich ganz sicher bin, daß er ein Mann ohne Güte und Gerechtigkeitssinn
     ist, der Malevil nicht wohlwill und gegen den ich die Einheit in Malevil wieder festigen werde. Jene Einheit, die in der religiösen
     Frage heute abend beinahe schon einen Riß bekommen hatte.
    Das Lämpchen erlischt, ich lege mich nieder, doch ich kann nicht einschlafen. Auch Thomas gelingt es nicht. Ich höre, wie
     er sich auf seinem Sofa umherwälzt. Er macht den Versuch, mit mir zu sprechen, doch ich weise ihn polternd zurück. Damit ich,
     wenn schon keinen Schlaf, wenigstens Ruhe habe.

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    Nach dem Frühstück, während Fulbert in »seinem« Zimmer die Beichtkinder empfängt, begebe ich mich zur Maternité, um Malabar
     zu besteigen und mit dem Zureiten fortzufahren. Das schwere Zugpferd ist trotz meiner Bemühungen noch lange kein brauchbares
     Reitpferd geworden. Er ist ein wenig hartmäulig, versteht die Sprache der Zügel nur, wenn er mag, und ist nicht leicht zum
     Stehen zu bringen. Auch sein breiter Rücken ist mir lästig, er zwingt mich, die Beine weiter zu spreizen, als ich gewohnt
     bin, und macht den Schenkeldruck weniger wirksam. Dieser Malabar ist so schwer, daß ich mir wie ein Ritter des Mittelalters
     vorkomme, wenn ich ihn reite. Fehlt mir nur noch eine Rüstung: Die würde ihn nicht einmal stören. Ich bin sicher, der ungeheure
     Hengst wäre imstande, das Zwei- und Dreifache meines Gewichts zu tragen. Er verfügt über einen unglaublichen Vorrat an Kraft,
     und sobald er galoppiert, erweckt er mir stets den Eindruck, übers Ziel zu schießen. Die Breite seines Rückens hat im übrigen
     seine Bequemlichkeit. Wenn es darauf ankäme, eine lange Strecke zurückzulegen, auf der die Geschwindigkeit nicht von Bedeutung
     ist,

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